Von
DDDr. Peter Egger, Brixen
1) Wesen und
Aufgabe der Familie
2) Die Gemeinschaft
3) Die Schule
für das Leben
4) Die Zelle
der Gesellschaft
5) Die Zelle der
Kirche
6) Die
Ehrfurcht vor Vater und Mutter
7) Die Formen
der Ehrfurcht
8)
Konflikte zwischen Eltern und Kindern
Das vierte Gebot
fordert die Ehrfurcht der Kinder vor Vater und Mutter und verweist damit
auf die rechte Beziehung der Kinder zu den Eltern. Das vierte Gebot
bezieht sich aber auch auf die Familie als ganze:
Es fördert die Entfaltung der Familie und schützt sie vor gewissen Gefahren. Um
nun das vierte Gebot in seiner ganzen Tragweite zu begreifen, ist es notwendig,
zunächst das Wesen und die Aufgaben der Familie zu beschreiben.
Das Wesen der
Familie besteht in der Gemeinschaft von Mann, Frau und Kindern. Zur
Gemeinschaft der Familie gehören nicht selten auch die Großeltern, Verwandte
und Hausgenossen. Die Familie ist auch die Stätte, an der neue Menschen ins
Leben treten. Die Familie hat die Aufgabe, die jungen Menschen zu erziehen und
auf das Leben vorzubereiten. Die Familie ist aber auch die Zelle der
Gesellschaft und muss den jungen Menschen jene Haltungen vermitteln, die
als Mitglieder der Gesellschaft brauchen. Die Familie ist schließlich auch die Zelle
der Kirche und bildet als "Hauskirche" die Kirche im kleinen.
Die Familie ist
zunächst eine Gemeinschaft von Vater, Mutter und Kindern. Es ist nun aber
keineswegs selbstverständlich, dass die verschiedenen Familien-Mitglieder auch
schon eine Gemeinschaft bilden. Zur Bildung einer echten Familien-Gemeinschaft
bedarf es einer außergewöhnlichen Liebe und Kraft. Eine solche Gemeinschaft
verlangt eine ständige Anstrengung und Bekehrung jedes einzelnen. Sie ist eine
echte Herausforderung für alle Familien-Mitglieder und lässt sich nur durch den
guten Willen aller Beteiligten verwirklichen.
Die Bildung einer
echten Hausgemeinschaft setzt vor allem eine regelmäßige persönliche
Begegnung der Familienmitglieder voraus. Bei den meisten Familien besteht
nur am Abend oder am Wochenende die Möglichkeit zu längeren Zusammenkünften.
Aber auch dann muss sich jeder bewusst für die Familie Zeit nehmen! Da wird der
Fernseher abgeschaltet und die Zeitung beiseite gelegt;
da wird bewusst auf Gasthaus und Fitness-Center verzichtet; es gibt auch keine
Computer-Spiele und keine Lektüre von Krimis und Romanen. Die Familie setzt
sich nach dem Abendessen gemütlich zusammen. Es kommt zu gemeinsamen Gesprächen,
bei denen jeder von seinen Erlebnissen sowie von seinen Freuden und Sorgen
berichtet Es werden gemeinsame Spiele veranstaltet, die dem Alter der
Kinder entsprechen. In manchen Familien wird auch gemeinsam musiziert,
gezeichnet und gebastelt. Es werden Pläne geschmiedet, man redet über
einen Ausflug und über den Urlaub. Spannend wird es auch, wenn
über die Fußballmeisterschaft und über ein Tennismatch diskutiert
wird. Bei den Familien-Gesprächen geht es aber auch um die Umstellung der Küchenmöbel
und des Kinderzimmers, um die Reparatur des Autos und der Waschmaschine.
Natürlich wird auch über die "dumme Schule", die "blöden
Hausaufgaben" und die "verrückten Schularbeiten"
geredet. Manchmal muss auch über die Finanzen gesprochen werden, weil
die vielen unvorhergesehenen Extras ein familiäres "Sparpaket" erforderlich
machen... In einer normalen Familie gibt es eigentlich immer Themen, über die
man gemeinsam reden kann und reden muss. Freilich gibt es auch Familien, die
aus lauter "stummen Fischen" bestehen: Keiner macht den Mund
auf, jeder brütet vor sich hin, alles ist fad und öde, man findet einander
langweilig oder geht sich auf die Nerven. Aber wenn in einer solchen
"Stockfisch"-Familie jemand die Themen anspricht, die die
einzelnen Familienmitglieder interessieren, dann kommt plötzlich Leben in
die Bude! Der Vater interessiert sich für "Bayern München" und
Schifahren, die Mutter für biologisches Gemüse und Aerobic,
der Sohn für Michael Schumacher und Mopeds, die Tochter für Steffi
Graf und Michael Jackson, das Nesthäkchen für Leonardo di Caprio, die "Backstreet-Boys" und die
"Spice Girls". Wenn diese
Themen angetippt werden, dann beginnen die "stummen Fische" plötzlich
zu reden und sind oft gar nicht mehr zu stoppen. Und wenn erst einmal das Eis
gebrochen ist, dann kann man auch über andere Themen weiterreden. Und über die
diversen Themen kommt man schließlich zum Eigentlichen: nämlich zu den
einzelnen Personen der Familie! Durch die verschiedenen Gespräche und
Erzählungen erfahren alle in der Familie, wie es den anderen
Familien-Mitgliedern geht. Sie wissen dann um die Freuden und Sorgen
und um die Hoffnungen und Ängste der anderen. Auf diese Weise
kommen die einzelnen Familien-Mitglieder einander näher und leben nicht
aneinander vorbei. Sie nehmen Anteil am Leben der anderen, sie freuen
sich mit und helfen sich gegenseitig. Sie erleben die anderen als Personen und
bilden mit ihnen eine Gemeinschaft von Personen. - Viele Familien haben
deshalb eine ganz bestimmte Zeit für ihr Familien-Treffen reserviert.
Gewöhnlich setzen sie sich einmal in der Woche zusammen. Alle freuen
sich auf dieses gemeinsame Beisammensein!
Für die
Gemeinschaft der Familie ist auch das Feiern von großer Bedeutung. In jeder
Familie gibt es immer wieder Anlässe zum Feiern: "Namenstage,
Geburtstage, den Hochzeitstag, Weihnachten, Advent, das gute Schulzeugnis, den
Sonntag..." (Herbert Madinger) Die gemeinsamen
Feiern sind zunächst eine Herausforderung für die ganze Familie: Sie
mobilisieren die verschiedenen Begabungen und Kräfte in der Familie, die
aufeinander abgestimmt werden müssen. Bei der Vorbereitung eines Festes
geht es um die Auswahl der Geschenke, um schmackhafte Kochrezepte,
um ein paar geeignete Spiele, eine passende Musik, ein prächtiges
Plakat, vielleicht sogar um ein paar Verse oder eine kurze Ansprache.
In einer christlichen Familie wird auch das geistliche Programm nicht
fehlen: ein kurzes Gebet, ein besonderer Dank an Gott, ein
religiöses Lied. Weiters gilt es, liebe Freunde
einzuladen, ein paar Blumen zu besorgen, die Fotokamera und den Videoapparat
parat zu halten und die Kleider herzurichten... Alle müssen mithelfen,
jeder muss seine besonderen Begabungen in den Dienst der Familie stellen. Nach
den gemeinsamen Vorbereitungen kann dann das Fest in aller Fröhlichkeit und
Besinnlichkeit gefeiert werden. Beim gemeinsamen Essen und Trinken,
beim gemeinsamen Spielen und Lachen kommen sich alle
Familienmitglieder näher. Die ernsten und heiteren Worte, die Klänge der
Musik, die Gespräche mit Verwandten und Freunden - das alles
stärkt das Familien- und Gemeinschaftsbewusstsein. Nach dem Fest sollten dann
auch alle fest zusammen helfen, um alles wieder aufzuräumen. Auch das
gemeinsame Tellerwaschen und Ordnung machen stärkt das
Gemeinschaftsbewusstsein.
Neben diesen festlichen
Höhepunkten sind es aber vor allem die vielen großen und kleinen Dienste
füreinander, die zur Vertiefung des Familienbewusstseins führen. Die Besorgung
des Haushalts, die mühevolle Arbeit zur Erhaltung der Familie,
die Erziehung der Kinder, die Betreuung der kleineren Geschwister,
die Pflege der Alten und Kranken usw. sind auf die Dauer nur
möglich, wenn jedes Familienmitglied in Liebe an seine Angehörigen denkt. Diese
Dienstbereitschaft zeigt sich meistens in kleinen alltäglichen Dingen:
Der Vater hat bei der Jacke einen Knopf verloren und bittet die Mutter
um das Annähen eines neuen Knopfes. Die Mutter ist mit dem Saubermachen
überfordert und ersucht den Vater, dass er mit dem Staubsauger
einspringt. Die Tochter liegt mit Fieber im Bett und braucht eine Tablette,
der Sohn hat sich beim Fahren mit dem Mountainbike geschrammt und benötigt ein Pflaster.
Das Nesthäkchen kommt mit der Mathematikaufgabe nicht zurecht und
braucht Hilfe. Der Opa hat kalte Füße und bedarf einer Wärmflasche; die
Oma kann nicht mehr die schwere Schachtel aufheben und braucht jemand,
der ihr hilft. Nach dem Großeinkauf im Supermarkt müssen alle die Waren
in den Keller tragen; nach der Überschwemmung im Badezimmer muss die
ganze Familie beim Aufputzen mithelfen. Diese gegenseitigen Hilfe und
Dienstbereitschaft wirkt sich sehr positiv auf die Gemeinschaft aus und festigt
das Zusammengehörigkeitsgefühl der Familie.
Die Gemeinschaft in
der Familie verlangt aber auch die ständige Überwindung alles Trennenden. In
jeder Familie kommt es immer wieder zu Vorfällen, die die Gemeinschaft in Frage
stellen: Der eine geht nur seinen eigenen Interessen nach und kümmert
sich nicht um die Familie, der andere ist bequem und lässt sich von den
anderen bedienen, der dritte ist eifersüchtig und möchte ständig im
Mittelpunkt stehen. Oft kommt es auch zu Vorurteilen und
Missverständnissen, gelegentlich rutscht uns ein bissiger Kommentar oder
ein böses Wort aus dem Mund! Nicht selten sind es auch die verschiedenen
Schwächen der anderen, die uns auf die Nerven gehen: Die ständige Unpünktlichkeit
des Mannes, die ewigen Telefonate der Frau, die hoffnungslose Schlampigkeit
des Sohnes, die coole Kratzbürstigkeit der Tochter... Alle diese
Faktoren führen früher oder später zu Konflikten in der Familie! Dann herrscht
natürlich dicke Luft und jeder zieht sich in seinen Schmollwinkel
zurück. Aber nach einiger Zeit wird uns doch bewusst, dass wir zusammengehören
und uns eigentlich gern mögen. Wir gehen auf den anderen zu und bitten ihn um Entschuldigung.
In der Familie müssen wir immer wieder den ersten Schritt tun und dem anderen
signalisieren, dass wir zur Versöhnung bereit sind. Wir müssen uns aber auch
immer wieder fragen, wo wir für die anderen ein Anlass zum Konflikt sind. Und in
der Folge müssen wir uns um mehr Altruismus und Hilfsbereitschaft
und um mehr Selbstbeherrschung und Geduld bemühen. Wir müssen
aber auch alles daran setzen, unsere Schwächen und Untugenden zu überwinden.
Auf diese Weise ist also auch die Bereitschaft zur Versöhnung und zur
eigenen Umkehr eine ganz wesentliche Voraussetzung für die
Gemeinschaft der Familie.
Das tiefste
Fundament der Gemeinschaft ist aber der Geist der Liebe, der von Gott
kommt. Alle Mitglieder der Hausgemeinschaft müssen sich bemühen, einander so zu
lieben, wie Christus selbst die Menschen geliebt hat. Das ist dann
freilich nicht jene menschliche Liebe, die oft so schnell am Ende ist. Diese
Liebe bemüht sich, die menschliche Begrenztheit zu überwinden, und orientiert
sich an der unendlichen Liebe Gottes. Der hl. Paulus beschreibt diese
Liebe mit einmaligen Worten: "Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist
gütig, die Liebe ist nicht eifersüchtig. Sie prahlt nicht, überhebt sich nicht,
sie handelt nicht unschicklich, sucht nicht das Ihre, kennt keine Erbitterung,
trägt das Böse nicht nach. Am Unrecht hat sie kein Gefallen, mit der Wahrheit
freut sie sich. Alles erträgt sie, alles glaubt sie, alles hofft sie, alles
duldet sie. Die Liebe hört niemals auf." (Paulus, 1 Kor 13,4-8)
Eine solche Liebe schützt die Familie vor allen Gefahren der Uneinigkeit: Statt
Egoismus herrscht dann Altruismus, statt Individualismus Gemeinschaft,
statt Streit und Zank herrschen Friede und Eintracht. Die
christliche Liebe verliert auch nach Enttäuschungen nie das Vertrauen in
den anderen und gibt nie die Hoffnung auf, dass der andere sich bessert.
Sie ist auch bereit, manche Schwächen des anderen zu ertragen, um ihm
eine Chance zu geben.
Diese Liebe im
Geist Christi ist aber aus rein menschlicher Kraft unmöglich. Sie setzt
vielmehr das Gebet voraus, durch das Gott der Familie seinen Geist und
seine Liebe schenken kann. Im Gebet kommt es zu einer tiefen Gemeinschaft
zwischen Gott und der Familie, die sich dann auch auf die Gemeinschaft der
Familienmitglieder auswirkt. Das Gebet führt dazu, dass sich die
Familien-Mitglieder mehr darum bemühen, nach dem Willen Gottes zu leben.
Sie spüren in ihrem Inneren, dass sie ihre Angehörigen im Sinne Gottes
lieben sollen. Sie erhalten im Gebet aber auch die Kraft, manche
Schwierigkeiten in der Familie zu überwinden. Weiters
ist das gemeinsame Gebet für die Familie auch eine Gewissenserforschung:
Die einzelnen Familien-Mitglieder merken in ihrem Gewissen, ob ihr Verhalten in
der Familie den Geboten Gottes entspricht oder nicht. Jeder einzelne
muss sich in seinem Gewissen auch die Frage stellen, ob er vielleicht jemanden
gekränkt hat und ihn um Verzeihung bitten muss. Auf diese Weise ist das gemeinsame
Gebet auch eine Orientierungshilfe und eine Reinigung für die
Familie. Das Gebet lässt die Familie spüren, ob sie vor Gott auf dem richtigen
Weg ist, oder ob es eine Umkehr braucht.
Das Gebet ist für die Familie aber auch die Möglichkeit, sich mit allen Sorgen
und Nöten an Gott zu wenden. Die Familie kann Gott im Gebet ihre
verschiedenen Bitten vortragen: Sie betet um einen neuen Arbeitsplatz
für den Vater, um die baldige Genesung der Mutter, um eine gute Note für
den Sohn, um eine glückliche Heimkehr der Tochter, um das gute Gelingen
einer Operation, um den vorteilhaften Verkauf eines Hauses usw.
usf. Die Familie soll aber auch nicht vergessen, dem himmlischen Vater ihren Dank
abzustatten: Sie soll sich stets an die verschiedenen Erhörungen
erinnern, die ihr von Gott zuteil geworden sind und ihm für seine väterliche
Liebe und Hilfe danken. Das gemeinsame Gebet der Familie soll schließlich auch
ein Lobpreis Gottes sein: Mit eigenen Worten soll die Familie Gott loben
und preisen. Am besten und einfachsten geht es oft mit einem Lied.
Wir alle wissen, wie schwierig es heute ist, das gemeinsame Gebet in der
Familie zu verwirklichen. Aber ohne dieses Gebet geht es nicht, weil uns sonst
einfach der geistige Atem fehlt. Wenn uns unsere Familie wirklich etwas
bedeutet, werden wir uns zum gemeinsamen Gebet durchringen müssen. Wenn wir
unsere gefährdete Familie retten wollen, dann werden wir zum Gebet unsere
Zuflucht nehmen müssen.
Es wäre wichtig, dass sich die jungen Ehepaare gleich zu Beginn ihrer
Ehe zum gemeinsamen Gebet entschließen würden. Auf diese Weise würde
das Familiengebet von Anfang an zu einem festen Bestandteil ihrer Ehe werden.
Sie können mit ganz einfachen Gebeten beginnen, etwa mit einem
"Vater unser" und "Gegrüßt seist du, Maria" sowie mit einem
Tischgebet. Sie sollen auch versuchen, für ganz konkrete Dinge zu bitten
und zu danken. Mit der Zeit wird es ihnen gelingen, immer tiefer in den Geist
des Gebets einzudringen. Ihre Gebete werden immer lebendiger und persönlicher.
Allmählich wird das Gebet zu einer inneren Haltung, das ihr ganzes Leben
und ihre Ehe prägt. Diese Eltern werden dann auch imstande sein, mit ihren
Kindern zu beten. Sie werden das nötige Gespür haben, die richtigen Gebete
für ihre Kinder auszusuchen.
Wesentlich schwieriger ist es, das Familiengebet dort einzuführen, wo schon
seit Jahren nicht mehr gebetet wird. Entweder ist der Mann dagegen, oder
es sind die Kinder, die meckern. "Schon wieder beten!",
heißt es dann. Wer kennt nicht den Missmut, die langen Gesichter, die bissigen
Kommentare! Da ist es dann verzweifelt schwer, ein solches Anliegen zu
verwirklichen. Zuerst versucht man vielleicht noch zu kämpfen, aber dann
verzweifelt man und resigniert. Es hat doch keinen Sinn, es ist eh umsonst!
Aber auch in solchen Fällen dürfen wir nicht aufgeben. Es genügt am Anfang,
wenn wir allein beten und unser stilles und beharrliches Gebet Gott
aufopfern. Gott hört unsere verborgenen Seufzer und sieht auch unsere
heimlichen Tränen. Durch unser schmerzliches Gebet dringt der Geist Gottes
allmählich in unsere Familie ein. Unser verlassenes Gebet prägt bereits das
geistliche Klima in unserer Familie. Und früher oder später kommt die Zeit, da
wir nicht mehr allein beten werden. Haben wir Mut und Zuversicht! Gott
ist mit uns und mit unserer Familie und will auch in unserer Familie wirken.
DIE GEMEINSCHAFT
a) Die persönliche
Begegnung
b) Das gemeinsame Feiern
c) Das gegenseitige Dienen
d) Die Bereitschaft zur Versöhnung
e) Der Geist der Liebe
f) Das gemeinsame Gebet
Die zweite Aufgabe
der Familie besteht in ihrem Dienst am Leben. Die Eheleute haben die Pflicht, in
großherziger Weise neuen Menschen das Leben zu schenken. Sie müssen dafür
sorgen, dass die nötigen materiellen, sozialen und gesundheitlichen
Voraussetzungen für die neuen Erdenbürger gegeben sind. Sie haben aber vor
allem die Aufgabe, für die menschliche, kulturelle, soziale und religiöse
Entfaltung ihrer Söhne und Töchter Sorge zu tragen.
Wir wollen uns nun fragen, welche Schwerpunkte und Grundsätze eine christliche
Erziehung aufweisen muss, damit sie dem jungen Menschen helfen kann, das
Leben richtig zu gestalten und zu meistern.
Die christliche
Erziehung beginnt mit dem christlichen Beispiel der Eltern. Das Vorbild
der Eltern ist die unmittelbarste und überzeugendste Art, den Kindern
eine christliche Lebens-Einstellung zu vermitteln. Diese gelebte
"Botschaft" prägt das Kleinkind schon lange, bevor es den Gebrauch
der Vernunft erlangt: Das Beispiel der Eltern ist in diesem Alter die
unbewusste Orientierung, ja das unbewusste Ideal des Kindes. Aber auch in
späteren Jahren ist das Beispiel der Eltern entscheidend. Die junge
Generation muss erleben, dass sich die christlichen Haltungen bei
der älteren Generation bewähren: Sie müssen erfahren, dass Liebe, Treue,
Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit, Vergebung usw. die tragenden Säulen eines
harmonischen Zusammenlebens sind. Das glückliche und gelungene Leben der
Eltern ist der beste Beweis für die Gültigkeit ihrer christlichen
Grundsätze.
Die christliche
Erziehung baut weiters auf Liebe und Geborgenheit
auf. Das Kind kann nur dann in seelischer Gesundheit heranwachsen, wenn
es sich angenommen und geliebt weiß. Dabei kommt vor allem
"der frühkindlichen Mutter-Kind-Beziehung schicksalhafte
Bedeutung" (K. Hörmann) zu. Aber auch das größere Kind gedeiht nur
"im Schoß warmer mütterlicher und väterlicher Güte" (H. Madinger). Nur im warmen Nest der Familie lernt das Kind
"das Urvertrauen, Vertrauen auf Autorität, Vertrauen in den Sinn des
Lebens, Vertrauen in die Gemeinschaft und Fähigkeit zur Liebe." (H. Madinger) Jede Erziehung braucht daher ein ganz persönliches
Vertrauens-Verhältnis zwischen Eltern und Kindern. Ein solches Verhältnis
kann aber nur zustande kommen, wenn die Eltern ganz persönlich und Tag für Tag am
Leben ihrer Kinder teilnehmen. Nur wenn sie wissen und fühlen, wie es ihren
Kindern geht, können sie ihnen beistehen und sie erziehen. Nur wenn die
Jugendlichen spüren, dass man für sie Zeit und Verständnis hat,
werden sie den Eltern ihre Freuden und Nöte mitteilen. Dann werden sie von
ihnen auch einmal ein "Nein!" akzeptieren: Sie wissen, dass
die Eltern in jedem Fall nur ihr Bestes wollen. Auf diese Weise ist also die Liebe
der Eltern die Grundvoraussetzung für das gute Verhältnis zu ihren Kindern. Sie
ist aber auch die Grundvoraussetzung für die Kinder, dass sie zum Leben
und seinen Spielregeln ein frohes "Ja" sagen können.
Die Eltern müssen
dem Kind und dem Jugendlichen auch klare und eindeutige Grenzen setzen.
Beim Kleinkind geht es dabei um das Spielen und das Schlafengehen, die
Zündhölzer und das scharfe Messer usw., beim Jugendlichen geht es
hingegen um das Fernsehen, die Schulaufgaben, das Rauchen und die Disco usf.
Die vernünftig gesetzten Grenzen bewahren den jungen Menschen vor
vielen Schäden und Enttäuschungen und entwickeln in ihm das Empfinden
für Gut und Böse. Die Eltern müssen auch ständig als Hüter dieser Grenzen
auftreten und die Kraft zum Widerstand aufbringen. Die Kinder werden
immer wieder ausprobieren, wie weit sie gehen können. Sie werden die Schwächen
der Eltern ausnützen und versuchen, sie gegeneinander auszuspielen. Sie
holen nicht zum großen K.o.-Schlag aus, ihre Taktik sind vielmehr die
psychologischen "Punkte-Siege". Die Eltern müssen deshalb viel
Wachsamkeit, Beharrlichkeit und Einigkeit aufbringen.
Jede Erziehung muss immer auch mit der nötigen Ermahnung und Korrektur der
Jugendlichen verbunden sein. Christliche Eltern sind verpflichtet, in
kluger Weise "die Fehler ihrer Kinder ernstlich zu bessern. Wenn die
Unreife des Kindes es verlangt, dürfen sie auch vor Strafmaßnahmen nicht
zurückschrecken, müssen sich dabei freilich auch vor unnötiger Härte hüten. Weichliche
permissive (= zuviel erlaubende) Erziehung
ist ebenso abzulehnen wie ein starr autoritärer
Erziehungsstil." (K. Hörmann) Nach Möglichkeit müssen die Eltern auch alles
ausschalten, was ihren Kindern "seelisch schaden kann (schlechte
Gesellschaft, schlechte Lektüre, Gefahren in Schulen, an Arbeits- und
Vergnügungsstätten)." (K. Hörmann). Nur wenn die Eltern ständig mit
Behutsamkeit und Festigkeit eingreifen, hat der junge Mensch heute eine Chance,
ohne allzu große Schäden erwachsen zu werden.
Zu einer
christlichen Erziehung gehört auch wesentlich die Forderung. Die zukünftige Lebenstüchtigkeit
eines Menschen hängt weitgehend von den Forderungen ab, die in der
Jugendzeit an ihn gestellt wurden. Das Rüstzeug für den zukünftigen
Lebenskampf kann nur durch gesunde Forderungen vermittelt werden. Das Kind soll
schon in den ersten Schuljahren erfahren, dass es der Anstrengung
bedarf, um gewisse Ziele zu erreichen. Es soll auch begreifen, dass viele Dinge
im Leben nur durch Einsatz erworben und verdient werden können. Deshalb
sollen die Eltern den Kindern auch bestimmte Ziele setzen und sie zur
Erfüllung ihrer kleinen Pflichten anhalten: Die Gestaltung der Spiele
soll auch gewisse denkerische oder körperliche Anstrengungen vorsehen. Die Schulaufgaben
müssen gewissenhaft und ordentlich gemacht werden. Es gibt nicht jederzeit
etwas zum Essen und Trinken. Für das Taschengeld werden
kleine Hilfen im Haus verlangt... Solche angemessene Forderungen fördern die
Entwicklung und Lebenstüchtigkeit unserer Kinder. Jede Verhätschelung aber
schadet ihnen und uns.
Entscheidend für
eine gute christliche Erziehung ist auch die Charakterbildung. Das Ziel dieser
Bildung ist der grundsatztreue und gefestigte Mensch. Die Charakterbildung
muss sich darum bemühen, dem jungen Menschen bestimmte Haltungen zu
vermitteln. Der junge Mensch muss lernen, unter allen Umständen wahrhaftig und
treu, verlässlich und pflichtbewusst zu sein. Er muss sich auch darum bemühen,
ehrfürchtig, bescheiden und mäßig zu sein. Nur die feste innere Haltung lässt
ihn später die großen Prüfungen des Lebens bestehen. Nur der
charaktervolle Mensch kann im Kampf mit sich selbst siegreich sein. Ohne
einen geläuterten Charakter wird der Mensch nicht mit seinen Launen und
Stimmungen fertig, ohne eine feste innere Haltung wird er zum Spielball seiner Triebe
und Leidenschaften. Die reißenden Wogen der verschiedenen Versuchungen
tragen ihn fort, die unsichtbaren Strudel seiner finsteren Leidenschaften
ziehen ihn in die Tiefe.
Ein zentrales
Anliegen der christlichen Erziehung ist auch die Herzensbildung, deren Ziel der
liebende Mensch ist. Dazu bedarf es allerdings großer und langwieriger
Anstrengungen. Der junge Mensch muss nämlich erst lernen, was es heißt, zu
lieben. Seine Liebe muss erst langsam wachsen. Wirkliche Liebe bedeutet, auf
den Mitmenschen einzugehen und ihm zur Verfügung zu stehen. Wahre
Liebe heißt, den anderen in seinem Wesen anzuerkennen und ihn zu
fördern. Echte Liebe zeigt sich auch darin, die Sorgen des Nächsten
wahrzunehmen und ihm zu helfen, seine Lasten zu tragen. Liebe erfordert
auch Taktgefühl und feinen Anstand; sie weiß die richtigen
Worte zu wählen und kann auch schweigen. Liebe zeichnet sich aus
durch besondere Rücksicht und Geduld; sie fühlt sich zu Anerkennung
und Dankbarkeit verpflichtet. Liebe äußert sich im Einsatz für
die Armen und Alten, für die Behinderten und Betrübten. Liebe, das ist rastloser
Dienst an allen Menschen, die uns begegnen. Wir können uns leicht
vorstellen, wie weit für einen jungen Menschen der Weg bis zum wahrhaft
liebenden Menschen ist. Wie viel Egoismus, Gemeinheit und Gleichgültigkeit
müssen erst überwunden werden! Wie viel Gewalt, Brutalität und Grobheit müssen
erst gebändigt sein! Überall gibt es Kanten und Ecken. Überall muss man hobeln
und feilen. Auf diese Weise ist die Herzensbildung der jungen Leute eine jahrelange
erzieherische Schwerarbeit!
Von entscheidender
Wichtigkeit ist auch die Gewissensbildung. Die Eltern müssen ihre Kinder von
klein auf zur Beobachtung des Gewissens anleiten. Die Kinder sollen möglichst
früh die "innere Stimme" des Gewissens entdecken. Daher werden
der Vater und die Mutter ihre Kinder immer wieder fragen, ob ihr Verhalten
vor Gott in Ordnung war. So etwa, wenn ein Kind gelogen hat oder frech war,
aber auch wenn es sich brav verhalten hat und fleißig war. Als besonders
wertvoll erweist sich auch eine kleine Gewissenserforschung am Abend vor
dem Einschlafen.
Mit zunehmendem Alter erfordert die Gewissensbildung auch eine entsprechende
Begründung der christlichen Gebote. Die Eltern müssen den Kindern klare
Richtlinien mitgeben. Die Jugendlichen wollen und sollen wissen, warum sie am
Sonntag in die Messe gehen sollen, warum gewisse Filme abzulehnen
sind, warum eine Disco auch gefährlich sein kann. Die Burschen und
Mädchen sollen erfahren, warum Liebe und Freundschaft an
bestimmte moralische Grundsätze gebunden ist, warum die Wahrhaftigkeit
auch in schwierigen Augenblicken Gültigkeit hat, warum Alkohol und Nikotin
zu meiden sind. Nur wenn die Eltern den jungen Leuten klare und begründete
Richtlinien mitgeben, wird das Gewissen die jungen Menschen richtig anleiten.
Die christliche
Erziehung hat aber auch die Aufgabe, die jungen Menschen zur religiösen
Praxis anzuleiten. Dazu gehört zunächst die Einführung in das Gebet.
Den erste Zugang zum Gebetsleben bilden die Kindergebete,
die meistens ein Gebetsschatz und eine "eiserne Reserve" für das
ganze Leben bleiben. Später ist es das gemeinsame Familiengebet, das die
Kinder und Jugendlichen daran gewöhnt, regelmäßig mit Gott in Verbindung zu
treten. Die Kinder und Jugendlichen sollen aber auch lernen, am Morgen
und am Abend ihr Herz zu Gott zu erheben und auch bei Tisch zu
Gott zu beten. Das gemeinsame Gebet lehrt die Kinder und Jugendlichen, in
verschiedenen Anliegen Gott zu bitten und ihm für alles Gute zu danken.
Das Gebet in der Familie ist für sie auch eine Schule für den Lobpreis
Gottes. Neben dem Gebet zu Gott sollen die Jugendlichen in der Familie auch die
Gebete zu Maria, zu den Engeln und Heiligen lernen. Dabei
sollte der Rosenkranz einen besonderen Ehrenplatz einnehmen. Aber auch die
Gebete zu den Engeln und Heiligen als Beschützern und Fürbittern sind von
großer Wichtigkeit.
Zur Einführung in die religiöse Praxis gehört dann auch das Lesen und Erklären
der Heiligen Schrift. Für die kleineren Kinder braucht es dazu eine gut
bebilderte Kinderbibel, die es heute in verschiedensten Ausgaben in
jeder Buchhandlung zu kaufen gibt. Für die Jugendlichen und Erwachsenen eignet
sich am besten das Neue Testament oder eine "Auswahl-Bibel",
in der die wichtigsten "biblischen Geschichten" enthalten sind. (Die
Praxis hat inzwischen gezeigt, dass die "Vollbibel" zwar weit
verbreitet ist, aber kaum gelesen wird.) Mindestens an einem Abend in der
Woche sollte in der Familie eine "biblische Geschichte"
aus dem Alten oder Neuen Testament vorgelesen werden. Vor allem die kleinen
Kinder sind sehr interessiert an diesen "biblischen Geschichten"! Sie
stellen viele Fragen und merken sich die Namen und Ereignisse mit großer
Leichtigkeit! Mit den größeren Kindern kann man auch über die Schriftstellen
sprechen, die bei der Sonntagsmesse drankamen. Eine solche Beschäftigung
mit der Heiligen Schrift ist oft nicht einfach. Aber es ist die einzige
Möglichkeit, den heranwachsenden Kindern eine gewisse Vertrautheit im Umgang
mit der Bibel zu vermitteln. Nur so können wir verhindern, dass unsere
Kinder nicht zu Analphabeten des Evangeliums werden.
Die religiöse
Erziehung muss sich auch darum bemühen, den Kindern eine tiefe innere Beziehung
zu den Sakramenten zu vermitteln. Christliche Eltern werden ihre Kinder
regelmäßig zur heiligen Messe mitnehmen und ihnen allmählich das Geschehen
am Altar erklären. Die Kinder müssen allmählich in die Bedeutung der
einzelnen heiligen Handlungen eingeführt werden, sie müssen aber auch dazu
angeleitet werden, die Gebete während der heiligen Messe mitzusprechen.
Gleichzeitig soll bei der Messe auch die Erlebnisfähigkeit der Kinder
angesprochen werden: Es gilt, ihren Sinn für die feierlichen Ausdrucksformen
der liturgischen Feier zu wecken. Sie sollen empfänglich werden für die
Symbolik der liturgischen Gaben und Geräte, und auch die Schönheit der
Gewänder, der Lieder und der Musik wahrnehmen. Die Kinder sollen schließlich
auch begreifen, dass die Eucharistie eine Feier der Gemeinschaft ist.
Auf diese Weise lernen sie, mit der ganzen Gemeinde mitzubeten, mitzusingen und
mitzufeiern.
In einer christlichen Familie wird auch die Erstkommunion
und die Firmung feierlich begangen. Die Eltern tragen die Vorbereitung
für den Empfang der Erstkommunion und der Firmung mit und begleiten die jungen
Menschen mit ihrem Gebet. Sie weisen die Buben und Mädchen auch auf das Geschenk
und auf die Verpflichtung dieser Sakramente hin. Sie erinnern sie aber
auch an den regelmäßigen Empfang des Bußsakraments, das für die Erlösung
des Menschen von größter Wichtigkeit ist. Durch diese Einführung in die
verschiedenen Sakramente werden diese für die Kinder und Jugendlichen zu echten
Heilsmitteln Gottes, die ihnen die Gegenwart und die Kraft Gottes
vermitteln.
Die Eltern müssen
sich schließlich um die Kontinuität der religiösen Erziehung bemühen. Sie
dürfen nicht meinen, dass nach der Firmung die religiöse Erziehung
abgeschlossen sei und dass nun der junge Mensch allein für seine religiöse
Praxis verantwortlich sei. Die Eltern haben die Pflicht, auch den
heranwachsenden Jugendlichen an seine religiösen Pflichten zu erinnern.
Die Eltern können und sollen den Jugendlichen nicht an die Hundeleine nehmen,
aber sie dürfen auch nicht kampflos aufgeben und sich mit dem
"Selbstbestimmungsrecht" des Jugendlichen rechtfertigen. Es braucht
oft einen sanften Druck, damit der Jugendliche merkt, dass er gewisse
religiöse Verpflichtungen hat. In der Zeit der Pubertät ist der junge Mensch
oft recht labil und braucht daher eine gewisse Unterstützung für seinen
Willen. Die religiöse Praxis erfordert im allgemeinen
eine Einübung und Gewöhnung, die die ganze Jugendzeit andauert.
Die religiöse Erziehung muss daher mindestens bis zum Ende der Pubertät
weitergehen. Erst wenn der Jugendliche auch in religiöser Hinsicht die Pubertät
gut überstanden hat, ist sein Glauben einigermaßen gefestigt. Dann ist die
Religion für ihn ein sicheres Fundament für sein zukünftiges Leben.
Das Ziel jeder
Erziehung ist schließlich der selbständige Mensch. Der junge Mensch soll
lernen, auf eigenen Beinen zu stehen und das Leben in Freiheit und
Verantwortung zu meistern. Daher ist die Erziehung der Eltern "eine
abnehmende Größe, die das Kind in einen immer größer werdenden Raum der Freiheit
und Eigenverantwortung entlässt, den es seiner Entwicklung gemäß zu
bewältigen vermag, und wo es in Erfolg und Versagen Erfahrungen sammeln kann.
Dazu gehören von Seiten der Eltern Mut zu einem wohlüberlegten Risiko.
Das Ziel der Erziehung ist ja der selbständige Mensch, der fähig ist, in
eigener Verantwortung aus einem wohl gebildeten Gewissen heraus das Gute zu
erkennen und zu tun." (K. Hörmann)
DIE SCHULE FÜR DAS
LEBEN
a) Das Beispiel der
Eltern
b) Liebe und Geborgenheit
c) Grenzen und Korrektur
d) Forderung und Pflicht
e) Die Charakterbildung
f) Die Herzensbildung
g) Die Gewissensbildung
h) Gebet und Heilige Schrift
i) Die Sakramente
j) Die Kontinuität
k) Der selbständige Mensch
Die Familie trägt
auch maßgeblich zur Entwicklung der Gesellschaft bei. In ihr wird jene tiefe
Menschlichkeit entfaltet, die dann auch die ganze Gesellschaft prägt. Die
Familie ist die Hohe Schule der Liebe, die ununterbrochen für die menschliche
Erneuerung der gesamten Gesellschaft sorgt. Ohne die Hohe Schule von vielen
Millionen Familien wäre unsere Gesellschaft auf die Dauer nicht lebensfähig.
Ohne diese Menschlichkeit der Familie würden verschiedene Auswüchse der
modernen Gesellschaft nie korrigiert und ausgeglichen werden.
Die Familie trägt
entscheidend dazu bei, dass in unserer Gesellschaft der Mensch als Person
erhalten bleibt. Die gewaltige Maschinerie der modernen Technik und Verwaltung
hätte uns schon längst in mechanische Teilchen und verwaltete Nummern
verwandelt, wenn uns nicht die persönliche Liebe unseres Ehegatten und
unserer Angehörigen davor bewahrt hätte. Der Programmierer vor dem Computer,
der Arbeiter am Fließband, die Näherin in der Fabrik, der Beamte
am Bankschalter, die Kassierin im Supermarkt
würden durch ihre Arbeit selbst zu Computern und Automaten. Der Tankwart
auf der Autobahnraststätte, der Pizzaiolo in
der Pizzeria, der Kumpel im Bergwerk, der Straßenarbeiter mit dem
Presslufthammer, der Lenker des Lastwagens würden durch ihre Tätigkeit zu unpersönlichen
Maschinen. Für diese Arbeiter und Arbeiterinnen ist die Familie oft die
einzige Stätte, an der sie wieder zu Menschen werden. Durch die
persönliche Beziehung im Familienkreis wird der entfremdete Mensch wieder eine
Person. In der Familie zählt nicht die Leistung und das Tempo, sondern das Menschsein.
Da ist der Einzelne nicht mehr das kleine Rädchen des großen Betriebs, sondern
eine Person mit menschlicher Würde. Durch die Ehe und Familie wird
"die Entartung der Gesellschaft zum geistlosen Kollektiv" (Bernhard
Häring) verhindert. Durch die Ehe und Familie kommt es zu einer ständigen
"Entmassung" (Helmut Schelsky) der Gesellschaft und zur Rettung der Person.
Die Liebe in der
Familie gibt uns die Kraft, auch im öffentlichen Leben Menschen mit Herz und
Gefühl zu sein. Der harte Lebenskampf, die erbarmungslose Konkurrenz, die
gnadenlose Hetze, der ständige Stress würden alle zarteren Regungen unseres
Herzens abwürgen, wenn uns nicht die Familie immer wieder zur Liebe zurückrufen
würde. Ohne diese Liebe der Familie wäre unser Inneres schon längst
hoffnungslos verhärtet und versteinert. Die Liebe zu unseren Angehörigen
lehrt uns, die Menschen mit herz-lichen Augen zu
sehen. In der Familie sehen wir, dass der andere verstimmt oder
niedergedrückt ist. Wir hören ihm zu, wenn er uns sein Leid klagt. Wir bringen
ihm eine Tablette, wenn er Kopfweh hat... Diese Übung in der Familie wirkt
sich auch im öffentlichen Leben aus: Wir stützen eine alte Frau und
begleiten einen Blinden über die Straße, wir haben mehr Geduld im Verkehr
und zeigen Verständnis für die gehetzte Verkäuferin. Wir trösten eine Mitarbeiterin
im Büro und entschuldigen uns, wenn wir einem Passanten in der
Straßenbahn auf die Hühneraugen treten. Die Familie erhält unser Herz jung und läßt uns die anderen als Menschen behandeln.
Die Familie erzieht
den Menschen dazu, sich für die Gemeinschaft einzusetzen. Unsere Gesellschaft
würde wohl zum größten Teil aus Individualisten, Egoisten und Vereinsamten
bestehen, wenn uns nicht die Familie immer wieder in die Gemeinschaft
zurückholen würde. In der Familie lernt der Mensch immer wieder neu, sich für
die Belange der Gemeinschaft einzusetzen. Ein solcher Mensch wird sich dann
auch in der Gesellschaft für das Gemeinwohl einsetzen: Er meldet sich als
Kandidat für den Betriebsrat, er wird Mitglied der Freiwilligen
Feuerwehr, er arbeitet als ehrenamtlicher Funktionär beim Schiklub
und ist freiwilliger Helfer beim Roten Kreuz. Ein solcher Mensch wird
sich auch für die Wohngemeinschaft im Haus einsetzen: Er ist gerne
bereit, dem Nachbarn eine kaputte Lampe zu reparieren; er leiht der
Familie nebenan ein Stück Margarine und ein Kilo Mehl; er
versorgt das kranke Mütterchen und ruft den Arzt; er besorgt das
Hundefutter für Nachbars Dackel; er betreut den Kanarienvogel und
gießt die Blumen, während Maiers verreist sind.
Die Familie ist
auch die sittliche Schule der Gesellschaft. Sie vermittelt den Menschen
die moralischen Grundsätze und Werte, die dann auch die Moral der
Gesellschaft bestimmen. Angesichts des riesigen moralischen Verfalls
unserer Gesellschaft kommt heute der Familie eine enorme Aufgabe zu: Im Schoß
der Familie muss es zur Wiederentdeckung der tragenden Grundsätze und
Werte kommen, die zur moralischen Erneuerung der Gesellschaft unbedingt
erforderlich sind. Zu diesen Grundsätzen und Werten gehören die Achtung vor dem
Leben, die Wertschätzung der Ehe, die Ehrlichkeit bei der Arbeit,
die Schonung des gemeinsamen Eigentums. Dazu gehören weiters
die Verteidigung der Wahrheit und der Freiheit sowie die Integrität der Kultur.
Alle diese moralischen Werte können heute fast nur mehr von der Familie
vermittelt werden. Die Familie ist heute fast das einzige Gegengewicht gegen
den Zeitgeist und die öffentliche Meinung, die alle diese Werte radikal in
Frage stellen. Nur durch die eindeutige moralische Haltung von vielen
christlichen Familien haben wir heute im Kampf gegen die Abtreibung und Euthanasie,
die Scheidung und Wiederverheiratung, die Korruption in der
Wirtschaft, die Ausnützung der sozialen Einrichtungen, die Manipulation
der Medien und die Verseuchung der Kultur eine Chance. Die Familien
müssen heute den jungen Leuten ein so klares christliches Werte-Bewusstsein
mitgeben, dass sie auch der perversen Unmoral unserer Zeit widerstehen können.
Die Familie ist
auch die Keimzelle der Kultur unserer Gesellschaft. In der Familie werden jene
Lebensformen gepflegt, die dann weitgehend auch die gesellschaftlichen
Lebensformen bestimmen. So werden Ess- und Trinkkultur, Kleidungs- und
Wohnkultur, aber auch Sprach- und Geisteskultur einer Gesellschaft
zunächst im Bereich der Familie gepflegt und vermittelt. Auch die meisten
gesellschaftlichen Umgangsformen wie Benehmen, Anstand und
Höflichkeit werden in der Familie beigebracht. In der Familie werden auch
viele kulturelle Interessen gepflegt: Da wird musiziert und gespielt,
gezeichnet und gemalt, gelesen und geschrieben, gehandarbeitet
und gebastelt, erklärt und diskutiert... Die
Familien-Kultur ist der Nährboden der Gesellschafts-Kultur.
Wir erleben heute immer wieder, dass die öffentliche Kultur ohne die Kultur in
der Familie kaum etwas erreicht. Ohne Familien-Kultur bleibt jedes kulturelle
Bemühen von Seiten der Schule und der Vereine meistens nur sehr oberflächlich.
Der Mensch hat dann wohl einen Anstrich von Kultur, Bildung und Benehmen, aber
seine tieferen Schichten sind davon kaum berührt. Er isst dann die feinsten
Speisen, hat aber keine Tischmanieren. Er kleidet sich nach der neuesten
Mode, bewegt sich aber wie ein Trampeltier. Er besucht das Theater,
spricht aber ein vulgäres Tiefdeutsch. Er wohnt in einem Haus mit
Stilmöbeln, hat aber überall eine chaotische Unordnung. Er besitzt die
"Gesammelten Werke" der Weltliteratur, nimmt aber nie ein Buch zur
Hand. Er ist Direktor und Hofrat, hat aber keine Umgangsformen. Er
verfügt über ein großes Wissen, hat aber keine Herzensbildung... Ohne
eine entsprechende Grundlegung der Kultur in der Familie ist es kaum möglich,
die Kultur in der Gesellschaft zu heben. Ohne eine Erneuerung der Kultur in der
Familie riskieren wir, in die Barbarei zurückzufallen.
In der Familie
kommt es auch zur Heilung des Menschen. Die Familie gleicht oft einem großen Spital,
in dem die seelischen Krankheiten der Gesellschaft kuriert werden. Die
moderne Gesellschaft fügt dem einzelnen ständig innere Verwundungen zu.
Schauen wir uns dazu eine ganz normale Familie an: Der Mann arbeitet schon
seit siebzehn Jahren im Büro bei den E-Werken, und doch hat man einen viel
jüngeren Kollegen zum Abteilungsleiter ernannt. Die Frau hat das
Bügeleisen in Reparatur gegeben, und nun ärgert sie sich, weil der Elektriker
so viel für die Reparatur verlangt hat. Der Sohn Martin kommt frustriert
nach Hause, weil ihn der Lehrer vor der ganzen Klasse einen
"Obertrottel" geheißen hat. Die kleine Agnes klagt weinend,
dass ihr im Kindergarten von der Annemarie das Jausebrot
mit der guten Salami weggenommen wurde... So ähnlich ergeht es auch uns. Jeder
von uns wird in der Gesellschaft gekränkt und verwundet. Für uns alle ist dann
die Familie oft die einzige Rettung. Unsere Angehörigen hören uns an und
versuchen dann mit vereinten Kräften, unser angeschlagenes Gleichgewicht
wiederherzustellen. So geschieht es auch in der ganz normalen Familie von
oben: Die Frau versucht die Lebensgeister ihres Mannes wieder in Schwung zu
bringen und kocht ihm ein gutes Schnitzel. Der Mann zieht ein verstecktes
Kuvert aus der Schublade, um die gesalzene Rechnung zu bezahlen. Die Mutter
tröstet ihren Martin und geht am nächsten Tag in die Schule, um mit dem Lehrer
zu reden. Der Vater ruft die Kindergartentante an und bittet sie, in Zukunft
mehr auf die Jausenbrote mit Salami zu achten... So
wird jeder aufgerichtet und gestärkt. Die Seele wird verbunden
und das Herz verpflastert. Bald ist jeder wieder
seelisch gesund und kann erneut in die Gesellschaft entlassen werden. Durch
die Familie bleibt die ganze Gesellschaft gesund.
Die Familie
vermittelt den jungen Menschen auch die staatsbürgerlichen Grundhaltungen. Es
ist eine altbekannte Tatsache, dass die Familie ist der Staat im kleinen ist. In einer intakten Familie begreift der
junge Mensch auf ganz natürliche Weise, dass es in einer Gemeinschaft bestimmte
Spielregeln geben muss. In der Familie erfährt der heranwachsende Mensch
die Bedeutung der Ordnung und Autorität, des Gemeinwohls
und der Solidarität, der Moral und der Normen, der Achtung
und der Toleranz. Auf diese Weise begreift er auch die Notwendigkeit der
staatlichen Ordnung, der nationalen Solidarität, der öffentlichen Moral und der
politischen Toleranz. In der Familie lernt der junge Mensch, dass jeder seinen Beitrag
für das Allgemeinwohl leisten muss, und wird dann später auch seinen Beitrag
für das staatliche Allgemeinwohl leisten. Im Kreis der Familie begreift er,
dass er sich mit den diversen Angelegenheiten der Gemeinschaft
auseinandersetzen muss. Er wird sich dann später auch mit der politischen
Entwicklung in seinem Land auseinandersetzen: Er wird sich fragen, ob die
Entscheidungen der Politiker richtig oder falsch sind, und ob ihre Programme
zielführend sind oder nicht. Ein solcher Bürger fühlt sich persönlich für
den Staat verantwortlich.
Ganz anders ist die staatsbürgerliche Einstellung eines Menschen, der in seiner
Familie diese Grundhaltungen nicht mitkriegt. Für diesen Menschen gelten keine
Gesetze und keine Ordnung. Für ihn gibt es auch keine Autorität
und keine Verpflichtung. Er hat keinen Sinn für das Allgemeinwohl
und drückt sich vor jeder Verantwortung. Er sieht im Staat nur ein Sozialleistungsunternehmen,
das es auszunützen gilt. Er kennt auch keine Achtung und Toleranz
gegenüber den Vertretern anderer Ideologien und Parteien. Auf diese Weise zeigt
sich, dass die Familie in entscheidender Weise das staatsbürgerliche Verhalten
der Menschen prägt. Aber auch die parteipolitische Einstellung wird meistens in
der Familie grundgelegt. Ein Großteil der Menschen übernimmt die politische
Einstellung des Elternhauses.
Die Familie ist
schließlich auch die wichtigste soziale Institution der Gesellschaft.
Die Familie übernimmt auch in der heutigen Gesellschaft eine Menge sozialer
Aufgaben. Die Familie interessiert sich für den Kindergarten und die Schule,
die ihre Kinder besuchen: Sie nimmt am Geschehen im Kindergarten teil und
gestaltet auch das Leben in der Schule mit. Die Familie nimmt auch fremde
Kinder auf und adoptiert sie als ihre eigenen Söhne und Töchter: Auf diese
Weise erhalten viele Kinder eine Chance, sich in einer normalen Familie zu
entfalten. Die Familie macht sich auch viele Gedanken über die Freizeitgestaltung
der jungen Leute: Sie bemüht sich um eine gute und vernünftige Gestaltung der
Freizeit und verhindert oft, dass skrupellose Profitmacher die Jugend
verderben. Die Familie pflegt auch die Kranken und Behinderten:
Wenn jemand in der Familie erkrankt und behindert ist, dann setzt die Familie
alles daran, diesen Mitgliedern zu helfen. Die Familie fangt
auch die Alkoholiker und Drogensüchtigen auf und bemüht sich um
ihre Rehabilitierung. Sie kümmert sich aber auch um die Mitglieder, die vom
rechten Weg abkommen: Wenn jemand aus der Familie im Gefängnis landet,
dann besucht sie ihn und steht zu ihm. Die Familie öffnet auch ihre Türen für
Menschen, die Probleme haben: Sie ladet eine Gastarbeiterfamilie ein,
die sonst keinen gesellschaftlichen Anschluss hat; sie nimmt sich einer Person
an, die unter Depressionen leidet; sie hilft einer geschiedenen Frau,
die von ihrem Ehemann verlassen wurde; sie tröstet ein Ehepaar, nach dessen Kind
an Leukämie gestorben ist. Die Familie kümmert sich um die Alten
und Alleinstehenden: Sie schaut, wie es den alten Eltern geht und
sorgt sich um die alleinstehende Tante. Sie kümmert sich um die verwitwete
Nachbarin und betreut sie, wenn es ihr nicht gut geht. Die Familie steht
schließlich auch den Sterbenden bei und harrt bei ihnen aus bis zum
letzten Atemzug. Die Familie leistet also in sozialer Hinsicht oft Unglaubliches!
Ihr vielfältiger Einsatz kann durch keine öffentlichen Institutionen ersetzt
werden. Das zeigt sich vor allem dann, wenn eine Familie aus verschiedenen
Gründen ihre sozialen Aufgaben und Verpflichtungen nicht wahrnimmt. Dann kommen
die Gesellschaft und der Staat sehr rasch in Schwierigkeiten. Dann fehlt es an
Personal, an Einrichtungen und vor allem am Geld. Die Familie ist und bleibt
deshalb die wichtigste soziale Institution in Gesellschaft und Staat. Es ist
deshalb höchst kurzsichtig, wenn der Staat die Familie nicht entsprechend
fördert. Es kommt dem Staat in vieler Hinsicht billiger, wenn er die Familie
unterstützt, als wenn er die Familie ersetzt.
Die vielfältigen
Wechselwirkungen zwischen Familie und Gesellschaft führen auch zu verschiedenen
Gefährdungen der Familie. Beginnen wir mit der Arbeit: Die weit
entfernten Arbeitsplätze zwingen viele Männer und Frauen zum Pendeln, die
Wochenend- und Schichtdienste vieler Berufe stimmen nicht mit dem Rhythmus der
Familie überein, viele Saisonarbeiten erlauben überhaupt kein
Familienleben mehr. Das bedeutet, dass sich die Familie in der Früh und zu
Mittag kaum sieht und bestenfalls am Abend zusammenkommt. Dann sind aber alle
erschöpft und glotzen oft nur noch in den Fernseher. Wir können feststellen,
dass vor allem die Berufstätigkeit zu einer Vernachlässigung der Kinder führt.
Die Frauen haben zu wenig Zeit für die Kinder, sie sind oft nervös und gereizt.
Es fehlt die Zeit zum Gespräch, es fehlt die Ruhe und die Geborgenheit. Wenn
die Frau ständig aus dem Haus ist, fehlt das menschliche Zentrum der Familie.
Eine weitere Gefährdung der Familie ist auch das ständige Fernsehen, das
jedes Gespräch in der Familie blockiert. Das Fernsehen unterbindet aber auch
gemeinsame Tätigkeiten und Spiele und verhindert nicht selten das
Familiengebet. Eine große Gefahr für die Familie ist heute auch das Überangebot
im Unterhaltungs- und Freizeitbereich: Der Vater ist ein begeisterter
Bergsteiger, Schifahrer und Tennisspieler, die Mutter ist im Fitnesscenter und
fährt mit dem Mountainbike, der Sohn ist bei der Fußballmannschaft und spielt
in einer Band, die Tochter macht Judo und hört stundenlang ihre Pop- und
Rockstars. Jeder geht seinen eigenen Hobbies nach und hat keine Zeit mehr für
die Familie. Eine große Gefahr ist auch, dass die Familie immer weniger
eigenständige und gemeinsame Tätigkeiten entfaltet: Statt dem gekochten
Essen gibt es Dosen-Menüs und Fastfood, statt dem Gespräch gibt es den
Fernseher, statt den Spielen die Videogames. Das Musizieren wird durch
Kassetten ersetzt, das Wandern wird durch Autofahrten verdrängt, an die Stelle
der selbstgemachten Geschenke treten Supermarkt-Geschenke. Die Familie ist also
nicht mehr selbst aktiv, sondern nur mehr ein Konsum-Verein ohne
Eigeninitiative.
Wir können auch
feststellen, dass die Familie heute immer mehr auseinander bricht: Die meisten Eltern
sind durch ihre Arbeit von der Früh bis am späten Nachmittag außer Haus.
Die Kinder kommen bereits mit einigen Monaten in die Kinderkrippe,
ab dem 3. Lebensjahr gehen sie in den Kindergarten. Ab dem 6. Lebensjahr
besuchen sie die Grundschule und anschließend die weiterführenden
höheren Schulen. Immer mehr Kinder und Jugendliche verbringen auch den
Nachmittag als Tagesheimschüler außerhalb der Familie. Viele Kleinkinder
werden von den Großeltern betreut, die als Gratis-Babysitter die
berufstätigen Eltern vertreten. Am Abend ist die Familie häufig durch
verschiedene Interessen und Freizeittätigkeiten getrennt. Am
Wochenende sind die Kinder und Jugendlichen oft mit Vereinen unterwegs,
im Sommer werden sie in ein Ferienlager geschickt. Die Spaltung der
Familie zeigt sich auch bei den Alten und Kranken: Wenn die Alten
nicht mehr selbständig sind, werden sie in ein Altersheim abgeschoben.
Wenn jemand ein wenig krank oder behindert ist, kommt er ins Krankenhaus
oder in eine Spezialanstalt. Auf diese Weise führen die Berufstätigkeit
der Eltern, die verschiedenen Interessen der einzelnen
Familienmitglieder und die immer weiter reichenden Bildungs- und
Sozialeinrichtungen zu einer zunehmenden Aufsplitterung der Familie. Was
auf den ersten Blick oft als eine Unterstützung der Familie aussieht, erweist
sich bei näherem Hinsehen oft als eine riesige Gefährdung der Familie.
Neben den
praktischen Gefährdungen erleben wir heute auch einen ausgesprochen
familienfeindlichen Zeitgeist, der die verschiedenen Voraussetzungen der
Familie radikal in Frage stellt. Dazu gehören die egozentrische Philosophie der
Selbstverwirklichung, das persönliche Genussleben, die Überbetonung der Karriere,
das freie Zusammenleben von Mann und Frau, die Scheidung und Wiederverheiratung,
die Kinderfeindlichkeit, die Abtreibung, die Verhütungsmittel,
die Anerkennung homosexueller Verbindungen, die mangelnde
Unterstützung durch den Staat. Alle diese Faktoren führen zu einer
kolossalen Abwertung der Familie. Letztlich führt dieser Zeitgeist zu einer
regelrechten Demontage (= Zerlegung) der Familie. Diese Demontage ist
nicht rein zufällig. Hinter ihr steckt vielmehr eine gezielte Strategie: Durch
die Demontage der Familie wird nämlich die Gleichschaltung der Gesellschaft
erleichtert. Durch die Zerstörung der Familie kommt es nicht mehr zum
kritischen Gespräch im kleinen Kreis, durch die Zerschlagung der Familie wird
der einzelne entwurzelt und kann leichter in das Kollektiv integriert
werden. Und wenn alle in der Familie nur mehr die gleichen Fernsehprogramme
anschauen, dann kann man mit einem einzigen Satelliten 300 Millionen Menschen geistig
fernsteuern.
Aber inzwischen
beginnen wir zu merken, dass die Zerstörung der Familie auch zur Zerstörung
der Gesellschaft führt. Wir stellen fest, dass es durch die
Single-Mentalität immer weniger Eheschließungen gibt. Die
Kinderfeindlichkeit und die Abtreibung führten zu einem katastrophalen Geburtenrückgang.
Die Scheidungen führten zu Millionen von zerbrochenen Ehen und Familien.
Die kaputten Ehen und Familien stürzten Millionen Menschen in eine unheimliche Einsamkeit
und Haltlosigkeit. Die Selbstverwirklichung der Frauen führten einem erschreckenden Erziehungsdefizit. Der
individuelle Egoismus und der Egoismus der Paare erfordert
neue Sozialinstitutionen für Kinder, Behinderte, Kranke und Alte, die
gigantische Summen verschlingen. Die Defizite in menschlicher, sozialer,
kultureller und wirtschaftlicher Hinsicht sind bereits so spürbar, dass es
so nicht weitergehen kann. Es wird uns bewusst, dass es ohne Familie kein
Überleben unserer Gesellschaft geben kann. Und so wachen jetzt immer mehr
Menschen auf und erkennen, dass sie sich für die Erneuerung der Familie einsetzen
müssen.
Alle diese Überlegungen über die Beziehung von Familie und Gesellschaft haben
uns erkennen lassen, wie entscheidend die Familie für die Entwicklung der
Gesellschaft ist. Die Familie ist und bleibt das Fundament der
Gesellschaft! Alle anderen Initiativen sind nur die Fortsetzung und
Ergänzung dessen, was in der Familie grundgelegt wurde. Die Familie kann durch
nichts ersetzt werden. Mit der Familie steht und fällt die Gesellschaft.
DIE ZELLE DER
GESELLSCHAFT
a) Die Rettung der
Person
b) Die Erneuerung des Herzens
c) Die Erziehung zur Gemeinschaft
d) Die Vermittlung der Moral
e) Die Grundlegung der Kultur
f) Die innere Heilung des Menschen
g) Die staatsbürgerliche Erziehung
h) Der soziale Einsatz der Familie
i) Die Gefährdungen der Familie
j) Das Auseinanderbrechen der Familie
j) Der familienfeindliche Zeitgeist
k) Die Wiederentdeckung der Familie
Die christliche
Familie hat schließlich auch die Aufgabe, an Leben und Sendung der Kirche
teilzunehmen. Sie kann diesen Auftrag sowohl innerhalb der Familie als auch in
der Pfarre und in der Diözese erfüllen.
Jede christliche
Familie wird sich zunächst darum bemühen, auch zuhause das Kirchenjahr
mitzufeiern. Advent und Weihnachten, Fasten- und Osterzeit, Pfingsten und
Fronleichnam usw. werden jeweils den Geist und die Atmosphäre in der
Familie bestimmen. Aber auch die Marien- und Heiligenfeste sowie die
Feste der Diözesan- und Pfarrpatrone sind für die christliche Familie
feierliche Gedenktage. Auf diese Weise wird das Kirchenjahr auch in der Familie
spürbar und erfahrbar.
Eine katholische
Familie wird sich auch in besonderer Weise mit dem heiligen
Vater verbunden fühlen. Sie ist daran interessiert, an Weihnachten und
Ostern seine Fernsehansprachen an die Gläubigen in aller Welt zu hören.
Sie verfolgt auch mit Interesse die verschiedenen Reisen des Papstes.
Sie bemüht sich, aus den kirchlichen Zeitungen seine Stellungnahmen zu
den verschiedenen Problemen zu erfahren. Sie ist schließlich auch gerne bereit,
für den Papst und seine Anliegen zu beten.
Weiters fühlt sich eine katholische Familie auch dem Bischof
der eigenen Diözese verbunden. Sie interessiert sich für seine Hirtenbriefe
und liest seine Stellungnahmen in der Kirchenzeitung. Sie freut sich,
wenn der Bischof zur Firmung in die eigene Pfarrei kommt. Sie wird auch
den Bischof in ihr Gebet einschließen.
Eine katholische
Familie wird auch bereit sein, im eigenen Haus einen Gebetsabend oder
eine Bibelrunde zu veranstalten. Sie kann aber auch ihr Haus für eine Familienrunde
oder für eine Jugendgruppe zur Verfügung stellen. Zu diesen Treffen
können auch interessierte Freunde und Nachbarn eingeladen werden. Durch ihre
"offene Tür" und ihre Gastfreundschaft werden diese
Familien zu kleinen Zentren der Evangelisierung und zu Außenstellen
der Pfarre. Auf diese Weise kommt es zum Aufbau von kirchlichen Zellen,
die über das ganze Pfarrgebiet verstreut sind.
Die Familie hat
dann auch die Möglichkeit, verschiedenste Dienste in der Pfarre zu übernehmen.
Zu diesen Diensten zählt der Einsatz als Ministrant, Jungscharführer,
Tischmütter, Firmhelfer, Lektor und Pfarrgemeinderat.
Zu diesen Diensten kann aber auch das Mitwirken im Kirchenchor,
Wohnblockapostolat, Pfarrbrief, Pfarrkaffee und bei der Kirchenreinigung
gehören... Da ist bestimmt für jedes Familienmitglied etwas dabei! Wichtig ist
aber, dass jedes Familienmitglied nur einen Dienst übernimmt und diesen
dann ordentlich und verlässlich ausführt. Die Dienste in der Pfarre müssen aber
so ausgewählt werden, dass das Familienleben nicht darunter leidet. Es
gibt nämlich nichts Schlimmeres als Väter und Mütter, die ständig irgendwo für
die Pfarre unterwegs sind, dabei aber ihre Kinder vernachlässigen. Zuerst kommt
die Familie und dann erst die Pfarre!
Die katholische
Familie ist dann auch dazu aufgerufen, an den verschiedenen geistlichen und
weltlichen Feiern der Pfarre teilzunehmen. Eine solche Familie wird sich darum
bemühen, wenigstens ein oder zwei Mitglieder zum Rorate oder zur Maiandacht
zu schicken. Sie wird gemeinsam bei der Fronleichnamsprozession und bei
der Familienwallfahrt mitgehen. Sie besucht wenigstens fallweise die
Vorträge des "Katholischen Bildungswerks". Sie erscheint
natürlich beim Weihnachtsbazar und hilft auch bei der Organisation des Pfarrballs.
Die Familien sind die lebendigen Steine einer Pfarrei. Überall dort, wo die
Familien mitmachen ist Leben!
Viele Familien sind
heute auch in den kirchlichen Laien-Bewegungen im Einsatz: Bei den Focolarini, bei der Charismatischen Erneuerung,
im Katholischen Familienverband. Manchmal sind die einzelnen
Familienmitglieder auch bei verschiedenen Gruppen aktiv: Der Vater ist bei der Katholischen
Männer-Bewegung oder beim Cursillo, die Mutter bei der Marianischen
Kongregation oder bei Legion Mariens, die Jugendlichen bei der Katholischen
Jugend. Alle diese Menschen tragen dazu bei, dass die einzelnen Bewegungen
auch mit Hilfe der Familien lebendig bleiben und die Sendung der Kirche mittragen.
Für die Familie
gibt es auch im kirchlichen Sozialbereich viele Aufgaben zu erfüllen. Da
erfährt der Vater im Pfarrgemeinderat, dass ein Mitglied der Pfarrgemeinde eine
Arbeit sucht. Nun wird in der Familie gemeinsam überlegt, ob man nicht einen
Betrieb kennt, der diese Person anstellen könnte. Dann erfährt die Mutter in
der "Marianischen Frauenkongregation", dass eine Frau eine Wohnung
sucht. Wieder wird in der Familie gemeinsam nachgedacht, wo diese Frau eine
Wohnung finden könnte. Der Pfarrer bittet die Eheleute, ob sie nicht mit einem
jungen Ehepaar in Krise sprechen könnten, das sich scheiden lassen möchte. Der pfarrliche Arbeitskreis für Soziales ersucht die Familie,
sich um eine Flüchtlingsfamilie zu kümmern, die von der Pfarre aufgenommen
wurde. Die Caritas bittet um gebrauchte Kleider für arme Leute, und die Familie
bringt gut erhaltene Kleidungsstücke zur Sammelstelle. Der Vinzenzverein
sammelt für bedürftige Mitbürger, und die Familie gibt gerne eine großzügige
Spende... Auf diese Weise hat also die Familie viele Möglichkeiten, auch im
Sozialbereich tätig zu sein.
Eine christliche
Familie wird sich schließlich auch für die Mission und die Entwicklungshilfe interessieren.
Die meisten christlichen Familien kennen persönlich einen Missionar oder
eine Missionsschwester. Viele kennen auch einen Entwicklungshelfer.
Manche Familien schreiben sogar regelmäßig an einen Missionar oder einen
Entwicklungshelfer. Andere Familien erklären sich bereit, jeden Monat die Missionszeitschriften
auszutragen. Wieder andere organisieren einen Bazar mit Waren aus der
Dritten Welt oder beteiligen sich an einer Selbst-Besteuerungs-Gruppe
zugunsten der Entwicklungsländer... Auf diese Weise können auch die Familien
entscheidend dazu beitragen, unsere Missionare und Entwicklungshelfer geistig
und materiell zu unterstützen.
Die christliche
Familie ist schließlich auch die Stätte, in der geistliche Berufungen gedeihen
können. Die meisten Priester und Ordensleute kommen aus Familien, in denen ein
konsequenter Glaube praktiziert wurde. Die Erfahrung im Elternhaus vermittelt
den jungen Menschen, wie schön und erfüllend ein gelebter Glaube ist. Sie werden
dann auch für eine Berufung empfänglich und sind bereit, dem Ruf Gottes zu
folgen. Meistens werden solche junge Menschen dann auch von den eigenen
Eltern auf ihrem geistlichen Weg unterstützt und mit viel Gebet
begleitet. Häufig stehen auch die Geschwister diesen berufenen Menschen zur
Seite und helfen ihnen in den schwierigen Momenten ihres Lebens. Auf diese
Weise sind die christlichen Familie auch in unserer
Zeit das wichtigste Reservoir der geistlichen Berufungen und eine
wesentliche Stütze der Priester und Ordensleute.
Diese wenigen Hinweise haben uns sicher schon bewusst machen können, dass die
Familien auch für das Leben und die Sendung der Kirche unentbehrlich sind.
DIE ZELLE DER
KIRCHE
a) Die Mitfeier des Kirchenjahres
b) Die Verbundenheit mit Papst und Bischof
c) Die Veranstaltung von Haustreffen
d) Die Dienste in der Pfarre
e) Die Teilnahme an Pfarrveranstaltungen
f) Die Mitarbeit in den Laien-Bewegungen
g) Der Einsatz im Sozialbereich
h) Der Unterstützung der Mission und der Dritten Welt
i) Die Förderung von geistlichen Berufungen
Für die Ehrfurcht
der Kinder gegenüber den Eltern gibt es mehrere gewichtige Gründe: Die Eltern
haben den Kindern das Leben geschenkt, sie haben sie mit vielen Mühen und
Opfern erzogen und haben vor Gott und der Gesellschaft auch die Verantwortung
für sie.
Der erste Grund für
die Ehrfurcht der Kinder vor den Eltern ist darin zu sehen, dass die Eltern
ihren Söhnen und Töchtern das Leben geschenkt haben. Die Eltern sind der
menschliche Ursprung der Kinder, die Mutter hat sie neun Monate unter
ihrem Herzen getragen und sie unter Schmerzen zur Welt gebracht. Vater und
Mutter sind die wichtigsten Bezugspersonen für die Identität der Kinder.
Ein zweiter Grund
für die Ehrfurcht der Kinder vor den Eltern ist darin zu erblicken, dass die
Eltern die Kinder mit vielen Mühen und Opfern erzogen haben. Die
Eltern haben das kleine Kind Tag und Nacht gehegt und gepflegt, sie haben das
heranwachsende Kind umsorgt und erzogen und den Jugendlichen geführt und
begleitet. Sie haben dieses Kind geliebt und getragen, sie haben ihm Geborgenheit
und Sicherheit geschenkt und ihm bleibende Grundwerte vermittelt.
Die Eltern haben für dieses Kind gearbeitet und auf vieles verzichtet, sie
haben es ermahnt und getröstet, sie haben sich mit ihm gefreut und seine Leiden
geteilt. Das Kind verdankt sich selbst zum allergrößten Teil seinen Eltern.
Ein weiterer Grund
für die Ehrfurcht der Kinder ist auch die Verantwortung der Eltern für
ihre Kinder. Den Eltern wurden die Kinder von Gott anvertraut und deshalb
tragen sie auch vor Gott die Verantwortung für ihre Kinder. Die Eltern
tragen aber auch vor der Gesellschaft die Verantwortung für ihre Kinder,
solange diese nicht volljährig sind. Aus dieser Verantwortung ergibt sich aber,
dass die Eltern von Gott und von der Gesellschaft her eine bestimmte Autorität
gegenüber ihren Kindern haben. Und diese Autorität verlangt wiederum eine
bestimmte Ehrfurcht der Kinder gegenüber ihren Eltern.
DIE EHRFURCHT VOR
DEN ELTERN
a) Die Eltern
schenkten den Kindern das Leben
b) Die Eltern brachten viele Opfer
c) Die Eltern haben die Verantwortung
Die Ehrfurcht der
Kinder gegenüber den Eltern zeigt sich in verschiedenen Formen: Sie kommt in
der Achtung, im Gehorsam und in der Unterstützung der Eltern zum Ausdruck.
Die Ehrfurcht
gegenüber den Eltern zeigt sich zunächst in einem achtungsvollen Ton und
in einem achtungsvollen Umgang. Das Kind sollte gegenüber seinen Eltern
nicht ausfällig und frech sein. Es darf seine Eltern nicht beschimpfen und
beleidigen. Auch bei Meinungsverschiedenheiten ist es einem Kind nicht erlaubt,
Eltern persönlich anzugreifen und zu kränken. Das Kind darf also auch in
einem kritischen Augenblick den Eltern nicht den Respekt versagen. (Die
Eltern müssen allerdings wissen, dass das Kind seine Gefühle und seine Sprache
oft noch nicht unter Kontrolle hat. Vor allem in der Pubertätszeit reagieren
Jugendliche oft recht heftig und temperamentvoll. Dennoch müssen die Eltern
ihre heranwachsenden Söhne und Töchter nach einer Entgleisung darauf aufmerksam
machen und von ihm verlangen, dass sie sich zusammennehmen).
Die Ehrfurcht
gegenüber den Eltern kommt auch im Gehorsam zum Ausdruck. Da das Kind
zunächst noch nicht imstande ist, sein Leben selbst zu gestalten, braucht es
klare Anweisungen und Grenzen. Diese Anweisungen haben aber nur dann
einen Sinn, wenn sie vom Kind befolgt werden. Zur Befolgung dieser Anweisungen
braucht es den Gehorsam des Kindes. Je älter das Kind wird, desto mehr
Freiheiten können ihm gewährt werden. Dennoch braucht auch der
heranwachsende Jugendliche noch ganz klare Grenzen. Diese Grenzen müssen
aber von den Eltern einsichtig gemacht werden, weil es dadurch dem
Jugendlichen leichter fällt, sie anzunehmen. Der Jugendliche ist seinerseits
verpflichtet, den Anordnungen der Eltern zu gehorchen. Der Jugendliche sollte
auch dann seinen Eltern gehorchen, wenn er einmal nicht mit ihren Anordnungen
einverstanden ist: Wenn er merkt, dass die Eltern auch nach einer Aussprache,
bei der sie seine Gründe angehört haben, auf ihrer Forderung bestehen, dann
muss er die Demut haben, dieser Anordnung zu gehorchen. Der Jugendliche
sollte das Vertrauen haben, dass die Eltern nur sein Bestes wollen und
in seinem Interesse entscheiden. (Die Eltern müssen sich natürlich fragen, ob
ihre Anordnungen im Interesse des Kindes sind. Sie müssen sich als Christen
auch fragen, ob ihre Forderungen vor Gott gerechtfertigt sind.)
Die Ehrfurcht der
Kinder zeigt sich auch in der Unterstützung der alten Eltern. Die
erwachsenen Kinder sind verpflichtet, ihren Eltern in schwierigen
Situationen beizustehen. Das kann bei einer Krankheit der Fall sein,
das kann aber auch bei finanziellen Schwierigkeiten erforderlich sein.
Bei manchen Eltern stellen sich körperliche Gebrechen und psychische
Verwirrungen ein, die dann eine ständige Hilfe von
seiten der Kinder verlangen. Die Ehrfurcht verlangt auch, dass Kinder ihre
Eltern trotz einer geistigen Verwirrtheit und körperlicher Gebrechen und
Fehlfunktionen achten und lieben. Durch ihre Liebe und Unterstützung können die
Kinder ihren Eltern einen kleinen Teil von dem zurückgeben, was sie im Verlauf
ihres Lebens von den Eltern erhalten haben.
DIE FORMEN DER
EHRFURCHT
a) Die Achtung vor
den Eltern
b) Der Gehorsam gegenüber den Eltern
c) Die Unterstützung der Eltern
Zu allen Zeiten hat
es auch Konflikte zwischen Eltern und Kindern gegeben. Solche Konflikte können
verschiedene Ursachen haben: Meistens sind es bestimmte Fehlhaltungen der
Kinder und Jugendlichen; manchmal sind aber auch falsche Verhaltensweisen der
Erwachsenen. Die Bewältigung der Konflikte erfordert zunächst eine klare
Erkenntnis der Ursachen. Dann muss überlegt werden, wie man die aufgetretenen
Konflikte beilegen kann.
Die meisten
Konflikte kommen dadurch zustande, dass Jugendliche einen Weg gehen, der sie
menschlich und moralisch gefährdet: Wenn die Eltern merken, dass ihre Kinder
einen falschen Umgang haben, ihre Pflichten in der Schule nicht
erfüllen, maßlos rauchen und trinken, sich in der Nacht
herumtreiben und in verrufenen Lokalen und Diskotheken verkehren,
dann müssen sie eingreifen und ihre Kinder ermahnen und rügen. Wenn die Eltern
feststellen, dass ihre Söhne und Töchter die religiöse Praxis aufgeben
und extremen Ideologien oder okkulten Praktiken anhängen, dann
müssen sie ihre Kinder zur Rede stellen.
Es gibt aber auch
Fehlhaltungen von Eltern, die zu Konflikten führen können. Wenn Eltern ganz
bestimmte Schwächen haben (z. B. Alkoholismus, Jähzorn, Gewalttätigkeit,
Geiz, Pedanterie, Zynismus, unmoralischer Lebenswandel) und sich nicht um die
Ablegung dieser Fehlhaltungen bemühen, dann werden diese Schwächen zu einem
Ärgernis für die Kinder. Aber auch wenn Eltern allzu autoritär ihre
Forderungen stellen, kann es zum Protest der Kinder kommen. Manche Eltern sind
wiederum zu nachgiebig in ihrer Erziehung und dürfen sich dann nicht
wundern, wenn sich die Kinder später alles erlauben und frech sind. Alle diese
Fehlhaltungen können zu großen Spannungen und Konflikten führen
Zur Bewältigung der
Konflikte braucht es zunächst ein offenes Gespräch. Dabei darf es aber
auch bei großen Meinungsverschiedenheiten nicht zu persönlichen Angriffen
und Beleidigungen kommen. Das Gespräch muss trotz aller Deutlichkeit der
Aussagen von Wohlwollen bestimmt sein. Es müssen vernünftige Argumente
vorgebracht werden, es müssen aber auch die Gefühle berücksichtigt
werden. Schließlich darf ein Gespräch auch nach einem großen Fehler nicht
zu einer Bloßstellung des Jugendlichen führen. Zur Konfliktbewältigung
brauchen die Eltern auch die nötige Festigkeit und die Kraft zum Widerstand.
Sie dürfen sich auch durch das Aufbegehren ihres Kinder nicht in ihrer
erzieherischen Linie beirren lassen. Sie müssen sich mit viel Geduld
wappnen und dürfen hoffen, dass die Krisenzeit früher oder später zu Ende geht.
Wichtig ist auch, dass es die Eltern trotz schwerer Fehler ihrer Kinder nie
zu einem völligen Bruch kommen lassen, denn dann haben sie überhaupt keine
Chance mehr! Für die Eltern gilt in besonderer Weise das Gleichnis vom
verlorenen Sohn: So wie Gott auch den größten Sünder aufnimmt, so müssen
auch die Eltern ihre gefallenen Söhne und Töchter immer wieder aufnehmen. Wenn
Eltern ihre Kinder fallenlassen, dann fallen diese meistens ins Bodenlose! Die
Eltern müssen alles tun, was in ihrer Macht steht, um die Kinder auf den
rechten Weg zu führen. Wenn dann Kinder trotzdem einen ganz anderen und
falschen Weg gehen, können sich die Eltern ruhigen Gewissens sagen, dass sie alles
zur Rettung ihrer Kinder versucht haben. In vielen Fällen aber erhört Gott das
unablässige Gebet der Eltern für ihre Kinder. Ein Beispiel dafür ist der
hl. Augustinus: Dieser Mann war in seiner Jugend das große Sorgenkind seiner
Mutter, der hl. Monika. Diese große Mutter betete Tag und Nacht für ihren Sohn.
In ihrer Verzweiflung wandte sie sich einmal an den Bischof ihrer Diözese, der
sie mit folgenden Worten tröstete: „Ein Sohn Sophieleer
Tränen kann nicht verloren gehen.“ Das Gebet der Mutter hat entscheidend dazu
beigetragen, dass aus dem Lebemenschen Augustinus einer der größten Heiligen
wurde.
a) Fehlhaltungen
der Jugendlichen
b) Fehlhaltungen der Erwachsenen
c) Konfliktbewältigung
ALLGEMEINER
ÜBERBLICK:
VIERTES GEBOT: DU
SOLLST VATER UND MUTTER EHREN!
1) Wesen und
Aufgabe der Familie
2) Die Gemeinschaft
3) Die Schule für das Leben
4) Die Zelle der Gesellschaft
5) Die Zelle der Kirche
6) Die Ehrfurcht vor Vater und Mutter
7) Die Formen der Ehrfurcht
8) Konflikte zwischen Eltern und Kindern