Von
DDDr. Peter Egger, Brixen
1.
Die Erkenntnis
der Wahrheit
7.
Anvertraute
Geheimnisse weitersagen
8.
Nicht gehaltene
Versprechen
11.
Verleumdung
und Rufschädigung
12.
Manipulation
durch die Medien
13.
Schweigepflicht
und Datenschutz
Das achte Gebot
bezieht sich auf die Wahrheit. Es wendet sich gegen alle Formen der Lüge
und verlangt von uns, dass wir für die Wahrheit eintreten. Das achte
Gebot fordert von uns aber auch, dass wir nach wahrer Erkenntnis streben
und erkannte Wahrheiten bezeugen. Das setzt aber voraus, dass wir
wissen, wie wir zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen können und welche
Bedeutung die Wahrheit für uns Menschen hat.
Die Wahrheit ist
zunächst die Frucht der menschlichen Erkenntnis. Es gibt verschiedene
Wege, um zur Erkenntnis der Wahrheit zu gelangen. Eine erste Möglichkeit ist
die wissenschaftliche Erkenntnis, die es uns erlaubt, die
Gesetzmäßigkeiten und Zusammenhänge in der Natur zu erfassen. Eine zweite
Erkenntnisart ist die psychologische Erkenntnis, die es uns gestattet,
das innere Wesen des Menschen zu erfassen. Ein weiterer Zugang zur Wahrheit ist
die Liebe zu unseren Mitmenschen: Das Herz des Liebenden ist imstande,
auch die verborgenen Schätze und Werte des anderen zu sehen. (Der berühmte
französische Schriftsteller Saint Exupéry hat recht, wenn er schreibt:
"Man sieht nur mit dem Herzen gut!") Die Wahrheit kann aber auch
durch ein gutes Vorbild erfasst werden: Wenn wir einer Gestalt begegnen
dürfen, die sich durch hohe Menschlichkeit und Tugendhaftigkeit auszeichnet,
dann erfahren wir damit die Wahrheit gewisser Werte. Ein weiterer Weg zur
Wahrheit sind auch die Philosophie und die Kunst: Die Weisheit
großer Denker und die Schau von echten Künstlern lassen uns viele tiefere
Wahrheiten der menschlichen Existenz erfassen. Schließlich lässt uns auch die Erfahrung
manche bittere Wahrheit erkennen: Die nachhaltigen Schmerzen nach
Fehlentscheidungen sind oft eine eindrucksvolle Lektion der Wahrheit.
Die Wahrheit ist
auch ein Geschenk der göttlichen Offenbarung. Im Laufe der Menschheits-Geschichte
geschah es immer wieder, dass Gott dem Menschen besondere Wahrheiten
geoffenbart hat. Dies zeigte sich in besonderer Weise in der Geschichte des Volkes
Israel, in der Gott durch sein Wirken sein Wesen und seinen Willen
offenbarte. Den Höhepunkt erreichte die Offenbarung schließlich in der Gestalt Jesu
Christi, der uns über Gott und den Menschen Wahrheiten geoffenbart hat, die
alle menschlichen Deutungsversuche bei weitem übersteigen. Jesus hat sich
schließlich selbst als die Wahrheit und das Leben geoffenbart: Er
ist die sichtbare Offenbarung Gottes und des vollendeten Menschen.
DIE ERKENNTNIS DER
WAHRHEIT
a) Die Wahrheit
durch die menschliche Erkenntnis
b) Die Wahrheit durch die Offenbarung Gottes
Die Wahrheit
bedeutet für den Menschen zunächst die richtige Erkenntnis der Wirklichkeit.
Der Mensch ist in vielfacher Weise darauf angewiesen, die Dinge so zu erkennen,
wie sie wirklich sind. Er muss wissen, wie seine Umgebung beschaffen
ist, damit er überhaupt lebensfähig ist. Der Mensch braucht die Wahrheit aber
auch, um zu einer richtigen Selbsterkenntnis zu gelangen: Er muss über
sein eigenes Wesen Bescheid wissen, damit er sich entfalten kann; er muss seine
Begabungen und Talente richtig erfassen, um seine persönliche Sendung zu
erkennen; er soll aber auch über seine Schwächen Bescheid wissen, damit er
bestimmte Gefahren meiden kann. Der Mensch braucht schließlich auch eine wahre
Erkenntnis vom Ursprung und Ziel des Lebens, um so den letzten Sinn
seines Lebens finden zu können.
Die Wahrheit ist
auch entscheidend für die Orientierung des menschlichen Verhaltens
und Handelns. Wenn der Einzelne die Wahrheit erkannt hat, dann kennt er
die wesentlichen Grundsätze der Moral und kann zwischen Gut und Böse
unterscheiden. Die Wahrheit ist auch die Grundlage für das Verhalten des
Menschen in der Gemeinschaft und ermöglicht die Verteidigung der Werte
in Gesellschaft und Staat. Die Wahrheit ist schließlich auch die
Grundlage für die Orientierung des Menschen bei seinem Streben nach dem ewigen Heil.
Die Wahrheit ist
dann auch die Grundlage des gegenseitigen Vertrauens. Wenn wir wissen,
dass uns der andere die Wahrheit sagt, dann können wir ihm unser Vertrauen
schenken. Wir sind dann auch bereit, mit ihm gemeinsam zu leben und zu wirken.
Die Wahrheit ist deshalb ein unverzichtbares Fundament für das Leben in
der Gemeinschaft. Die Wahrhaftigkeit ermöglicht das Zustandekommen von
guten Freundschaften und stabilen Ehen und fördert tragfähige
Partnerschaften in der Wirtschaft und in der Politik.
DIE BEDEUTUNG DER
WAHRHEIT
a) Die Wahrheit als
Erkenntnis der Wirklichkeit
b) Die Wahrheit als Grundlage der Moral
c) Die Wahrheit als Grundlage des Vertrauens
Die Wahrheit wird
heute vielfach in Frage gestellt und Lüge und Betrug sind an der Tagesordnung.
Der eine verkauft seine Wohnung und behauptet, dass die Bausubstanz
optimal sei. Aber bereits nach einem halben Jahr muss der Käufer feststellen,
dass der Verputz herunterbröckelt. Ein anderer verkauft sein gebrauchtes Auto
und erklärt, dass der Wagen 50.000 Kilometer gefahren sei. In Wirklichkeit hat
er vorher den Kilometerzähler um 20.000 km zurückgedreht. Der Lederwarenhändler
beteuert, dass die Handtasche aus echtem Leder sei, und dann war es eben
doch nur Kunstleder. Beim Kauf eines Hemdes schwört der Verkäufer, dass
es sich um hundertprozentige Baumwolle handle, und wenn man das erste Mal
schwitzt, stinkt es nach Kunststoff. Beim Kauf eines Spiegels ist von
echtem Kristall die Rede, und dann stellt sich heraus, dass es ein ganz gewöhnliches
Glas ist. Bei der Versicherung wird einem erklärt, dass alle Unfälle
abgedeckt seien, und wenn man dann eine Entschädigung braucht, ist genau dieser
Unfall nicht vorgesehen. Zur Weihnachtszeit kommt ein Brief mit der Bitte um
eine Spende für arme Waisenkinder in Mogadischu, und zwei Wochen später
erfährt man aus der Zeitung, dass hinter dieser Spendenaktion eine
Betrügerbande stand usw. usf. Für viele Menschen ist das Lügen schon so zur
Gewohnheit geworden, dass sie es gar nicht mehr merken.
Viele Menschen
lügen auch, um damit Unannehmlichkeiten zu entgehen: Der Angestellte
kommt mit Verspätung zur Arbeit und behauptet, dass der Bus oder der Zug
Verspätung hatte. Frau Huber will der Begegnung mit einer
unsympathischen Person ausweichen und erklärt, dass sie gerade einen Termin
beim Zahnarzt habe. Herrn Maier schmeckt das Essen seines Gastgebers
nicht und so beteuert er, dass er bereits völlig satt sei. Die Schülerin hat
die Aufgabe nicht gemacht und sagt zum Lehrer, dass sie gestern für ihre
Eltern Verschiedenes erledigen musste. Der Schüler hat während des Unterrichts
einen Kaugummi im Mund und behauptet, es handle sich um ein
Hustenbonbon... Die Menschen sind wahrscheinlich nie so schöpferisch und
phantasievoll wie bei der Erfindung von Notlügen und Ausreden! Viele sehen die
Notlüge als einen erlaubten "Kavaliersdelikt" an. Wir müssen aber
sagen, dass auch Notlügen Lügen sind. Wenn jemand bei der kleinsten
Unannehmlichkeit zu einer Lüge greift, wird er wahrscheinlich auch sonst leicht
eine Lüge bei der Hand haben.
Ein weiterer
Verstoß gegen die Wahrheit ist auch die Heuchelei. Dabei verbergen wir unsere
wahren Ansichten und Absichten und täuschen den Mitmenschen Zustimmung
und Wohlwollen vor. Meistens bedienen wir uns dieser Verstellung, wenn wir
uns dadurch einen Vorteil erwarten. Häufig kommt es auch zu einer
Heuchelei, wenn wir uns in einem Abhängigkeitsverhältnis befinden. Die
Heuchelei kennt viele Formen: Wir lächeln einem Mitmenschen freundlich zu, obwohl
wir ihn innerlich verachten. Wir heucheln Interesse und Anteilnahme,
obwohl uns der andere völlig egal ist. Wir stimmen seiner Meinung zu,
obwohl wir vom Gegenteil überzeugt sind. Wir loben seine Leistungen,
obwohl dazu kein Grund besteht. Wir erkundigen uns nach dem Wohlbefinden des
Kunden, obwohl uns nur sein Geld interessiert. Auf diese Weise hoffen wir,
in gesellschaftlicher, beruflicher und wirtschaftlicher Hinsicht Vorteile zu
erringen. Die Heuchelei gehört aber häufig auch zur Strategie, dem Mitmenschen
eins auszuwischen und ihn zu schädigen: Wir stellen uns scheinbar auf die Seite
des anderen, um sein Vertrauen zu gewinnen, aber in Wirklichkeit wollen wir
ihn nur aushorchen. Wie tun dem andern schön, um ihn in Sicherheit zu
wiegen, bevor wir dann zu einem Schlag gegen ihn ausholen. Eine weitere Form
der Heuchelei besteht auch darin, dass wir unseren Mitmenschen weltanschaulich
und religiös etwas vormachen: Wir schreiben uns bei einer Partei
ein, um einen Arbeitsplatz zu erhalten, obwohl diese Partei nicht unserer
Weltanschauung entspricht; wir geben vor, praktizierende Gläubige zu
sein, um eine Stelle oder einen Arbeitsauftrag von Seiten der Kirche zu
erhalten, obwohl wir vom Glauben wenig oder nichts halten... Die schlimmste
Form der Heuchelei ist aber die Scheinheiligkeit: Wir heucheln sogar
vor Gott und geben uns den Anstrich echter Frömmigkeit, aber in
Wirklichkeit ist unser religiöses Verhalten nur eine Maskerade und katholischer
Staubzucker.
Die Heuchelei ist heute fast schon eine Volkskrankheit. Viele
Jugendliche werden schon daheim dazu angehalten, sich überall anzupassen und
nur das zu sagen, was gerade "opportun" ist. Aber auch die
Erwachsenen heucheln bei jeder Gelegenheit. Die meisten sind davon überzeugt,
dass die Heuchelei die einzige Möglichkeit ist, um weiterzukommen und Erfolg
zu haben. Der Spruch "Ehrlich währt am längsten" scheint längst
überholt zu sein, dafür heißt es jetzt "Ehrlich sind nur die Dummen"!
Es sei gerne zugegeben, dass man nicht immer alles sagen kann, was man denkt.
Die Klugheit verlangt gelegentlich, dass man sich zurückhält und nicht
im falschen Moment gewisse Dinge äußert. Trotz dieser gebotenen Klugheit ist es
uns nicht erlaubt, dass wir bewusst Dinge sagen oder vorgaukeln, die nicht
mit unserer tatsächlichen Überzeugung und Gesinnung übereinstimmen. Es
sollte uns bewusst sein, dass die Heuchelei eine massive Gefährdung für
unseren Charakter darstellt. Wir verwandeln uns dann in ein Chamäleon, das
nach Bedarf die Farbe wechselt, wir werden zu Windfahnen, die bei jedem
Windwechsel die Richtung ändern. Wir werden zu ständigen Theaterspielern,
die sich letztlich selbst etwas vormachen. Die Heuchelei gefährdet den
Menschen in seiner innersten Seele! Nicht umsonst hat Jesus die Heuchelei
ganz massiv angeprangert und verurteilt. Den Pharisäern hat Jesus u. a.
folgende Sätze ins Gesicht geschleudert: "Weh euch, ihr Schriftgelehrten
und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr seid wie die Gräber, die außen weiß
angestrichen sind und schön aussehen, innen aber sind sie voll Knochen, Schmutz
und Verwesung. So erscheint auch ihr von außen den Menschen gerecht, aber innen
seid ihr voll Heuchelei und Ungehorsam gegen Gottes Gesetz." (Mt 23,27-28)
Gegen die Wahrheit
verstoßen wir auch, wenn wir schlecht von den anderen reden. Wenn wir
uns selbst kritisch beobachten, können wir feststellen, dass wir fast bei
jedem Gespräch schlechte Dinge über unsere Mitmenschen sagen. Dabei
passiert es meistens, dass wir unsere Berichte auch noch ein wenig aufbauschen,
damit sie pikanter wirken und besser ankommen. Der ganze Klatsch und Tratsch
unserer Gesellschaft lebt zum allergrößten Teil von schlechten Dingen, die wir
von unseren Mitmenschen zu berichten wissen. Die Unterhaltungen in einer
gesellschaftlichen Runde erreichen dann ihren Höhepunkt, wenn einer wieder eine
"Viecherei" von einem Zeitgenossen erzählen kann. Der Umsatz unserer Kaffeehäuser
hängt zu einem großen Teil von unserem schlechten Gerede über die anderen ab.
Durch dieses gemeine Gerede kommt es aber immer wieder zu seelischen
Verletzungen unserer Mitmenschen. Es kommt auch zu Unterstellungen
und Verdächtigungen, die das Zusammenleben in der Gesellschaft sehr
erschweren.
Jesus hat sich auch zu diesem Punkt sehr deutlich geäußert: "Richtet
nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet! Denn wie ihr richtet, so werdet
ihr gerichtet werden, und nach dem Maß, mit dem ihr messt, wird euch zugeteilt
werden." (Mt 7,1-2) Jesus wendet sich damit ganz klar gegen die
Verurteilung der Mitmenschen, die durch unser schlechtes Reden über ihn
geschieht. Wir haben kein Recht, einen anderen Menschen zu verurteilen und
schlecht zu machen.
Trotz dieser klaren Absage gegenüber jeder Verurteilung unserer Mitmenschen
bedeutet das nicht, dass wir uns kein Urteil über gewisse negative
Eigenschaften unserer Zeitgenossen bilden dürfen. Wir sind sogar
verpflichtet, uns ein klares Bild von bestimmten negativen Eigenschaften und
Handlungen unserer Mitmenschen zu machen. Nur eine klare Einschätzung der
negativen Seiten und Verhaltensweisen bestimmter Mitmenschen ermöglicht es uns,
gewisse Gefahren zu erkennen und uns dagegen zu schützen. Nur eine klare
Erkenntnis gewisser Fehlverhalten unserer Mitmenschen gibt uns die Möglichkeit,
diese schädigenden Verhaltensweisen zu bekämpfen. Aber wir sollten nur
dort über diese negativen Vorkommnisse sprechen, wo auch Hilfe zu erwarten ist.
Das bedeutet konkret, dass wir nur mit solchen Menschen über bestimmte
negative Vorkommnisse in unserem Umfeld sprechen sollten, die uns in
seriöser Weise behilflich sein können, diese Missstände zu beheben. Dabei
sollten wir trotz unserer inneren Bedrängnis nicht vergessen, dass wir auch für
jene Menschen verantwortlich sind, deren Verhaltensweisen wir aus eindeutigen
Gründen bekämpfen. Unser Kampf sollte auch das innere Heil jener Menschen im
Augen haben, die sich uns gegenüber falsch verhalten.
Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass es auch Momente geben
kann, in denen ein Mensch sich unbedingt Luft machen muss. Es gibt
manchmal Situationen, in denen ein Mensch dermaßen unter der Schlechtigkeit und
Boshaftigkeit gewisser Mitmenschen leidet, dass er reden muss, um nicht
innerlich zu "platzen". Er braucht also ein "Ventil",
um seinen seelischen Überdruck loszuwerden. Dieses Bedürfnis ist menschlich
durchaus verständlich! Wichtig wäre aber, dass er für seine Aussprache die
richtigen Menschen wählt. Nicht jeder eignet sich als "Klagemauer"
und nicht jeder geht mit den "Hiobsbotschaften" richtig um. Es sollte
sich in diesen Fällen um einen verlässlichen Freund handeln, dem man
wirklich vertrauen kann. Am besten wäre es, wenn man einen weisen und klugen
Priester als Seelenführer hätte, mit dem man über diese inneren
Bedrängnisse offen reden kann. In gewissen Fällen kann es auch sein, dass man
nur mit Gott über die tiefsten Schmerzen in der eigenen Seele sprechen
kann. Dabei dürfen wir aber gewiss sein, dass Gott uns wie keiner anderer
zuhört und dass er uns zur rechten Zeit auch Hilfe schicken wird.
Das achte Gebot
verbietet auch, dass wir Geheimnisse, die uns anvertraut wurden, anderen
Menschen weitersagen. Es gibt in jedem menschlichen Leben Dinge, die nicht für
alle Menschen bestimmt sind. Es gibt Wahrheiten, die geschützt werden
müssen. Wenn nun aber Geheimnisse ausgeplaudert werden, so bedeutet das
eine Missachtung gegenüber einer schutzbedürftigen Wahrheit. Gleichzeitig
bedeutet eine Weitergabe von Geheimnissen auch einen groben Vertrauensbruch.
Die Preisgabe von Geheimnissen kann sowohl im privaten als auch im
gesellschaftlichen Leben zu unheimlichen Folgen führen.
Es gilt aber auch im Hinblick auf die Bewahrung von Geheimnissen gewisse psychologische
Regeln zu beachten. Es muss uns bewusst sein, dass nur ganz wenige
Menschen wirklich "dichthalten" können. Bei vielen Menschen wirkt
die Aufforderung: "Das sag ich Dir ganz im Vertrauen! Das musst Du
unbedingt für Dich behalten!" wie eine Express-Marke, die sie zur
beschleunigten Weitergabe der Geheimnisse veranlasst. Manche Personen werden zu
regelrechten "Sendestationen" und verbreiten die
"Top-Secret"-Botschaften bis in die letzten Häuser. (In den Alpen
nennt man solche Personen treffend eine "Ratsch-Kathl" oder ein
"Dorf-Radio"!) Dazu kommt, dass vor allem belastende Geheimnisse
einen gewissen seelischen Druck auf den Menschen ausüben und ihn zu
einer "Entlastung" drängen. Diese Entlastung besteht dann aber in der
Weitergabe des Geheimnisses. Aus diesen Gründen sollten wir uns gut
überlegen, wem wir unsere Geheimnisse anvertrauen. Wir sollten uns auch
fragen, wie es um die psychische Belastbarkeit jenes Menschen steht, dem
wir ein Geheimnis mitteilen wollen. In vielen Fällen wird es am besten sein,
wenn wir das Geheimnis für uns behalten.
Gegen das achte
Gebot sündigen war auch, wenn wir ein gegebenes Versprechen nicht einhalten.
Wenn wir etwas versprechen, was wir dann nicht tun, wird unser Versprechen
zu einer falschen Aussage und damit zu einer Unwahrheit. Leider
können wir heute immer wieder feststellen, dass viele Versprechungen nicht
eingehalten werden: Der eine verspricht seinem Bekannten, dass er ihm bei der
Abfassung der Steuererklärung behilflich sein würde, aber er lässt sich
dann nicht blicken. Ein anderer versichert seinem Kollegen, dass er ihn bei der
Suche nach einem Arbeitsplatz unterstützen würde, aber in Wirklichkeit tut er
nichts. Ein dritter beteuert gegenüber einer armen Familie, dass er sich um
eine passende Wohnung umsehen werde, aber er unternimmt dann keinen
Schritt. Ein vierter gibt das Versprechen ab, dass er bestimmte homöopathische Arzneien
aus dem Ausland beschaffen werde, aber es geschieht dann nichts. Ein fünfter
schwört einem Mädchen hoch und heilig, dass er es heiraten werde, aber
er lässt es dann sitzen... In allen diesen Fällen handelt es sich um
Versprechungen, die nicht gehalten und erfüllt werden. Die Versprechungen waren
also unwahre Aussagen oder sogar glatte Lügen. Diese ungehaltenen
Versprechungen stellen wiederum das Vertrauen in Frage und zeugen auch
von einem unverlässlichen Charakter. Manchmal handelt es sich aber auch
um eine Überschätzung der eigenen Möglichkeiten: Wir versprechen
manchmal im Eifer gewisse Dinge, die wir dann nicht einhalten können. Es ist
daher ratsam, lieber zu wenig als zu viel zu versprechen. Auf diese Weise
können wir unseren Mitmenschen manche bittere Enttäuschung ersparen!
Das achte Gebot
wendet sich auch gegen die Angeberei. Die Angeberei besteht darin, dass ein
Mensch mehr aus sich macht, als er tatsächlich ist. Auf diese Weise
entspricht also die eigene Selbstdarstellung nicht mehr der Wahrheit und wird
damit zur Lüge. Eine solche Angeberei kann auf mehrere Arten geschehen: Eine
erste Form besteht darin, dass einer in übertriebener Weise mit Leistungen
prahlt, die er vollbracht hat: Er berichtet von seinen grandiosen sportlichen
Leistungen, von seinen Eroberungen beim anderen Geschlecht, er
protzt mit seinem Gehalt und streicht bei jeder Gelegenheit seine guten gesellschaftlichen
Beziehungen heraus. Eine zweite Form der Angeberei kommt auch in gewissen
Statussymbolen zum Ausdruck, die man sich eigentlich nicht leisten kann: Dazu
gehören z. B. Kleidungsstücke aus den besten Modehäusern, teurer Schmuck,
schicke Autos, Reisen in die Südsee. Insgeheim hat man eine Menge
Schulden und lebt auf Pump, aber man kann angeben. Das Leben dieser Menschen
ist oft ein großer Bluff und statt dem Sein regiert der Schein. Der
Angeber ist oft ein Egozentriker, der alles in Bewegung setzt, um selbst
im Mittelpunkt zu stehen. Er hat meistens ein übertriebenes Geltungsbedürfnis
und sucht krankhaft nach Anerkennung.
Jesus verurteilt jede Angeberei und jedes Sich-zur-Schau-stellen. Er brandmarkt
die Pharisäer, die sich durch ihre Angeberei schuldig machen: "Alles, was
sie tun, tun sie nur, damit die Menschen es sehen: Sie machen ihre Gebetsriemen
breit und die Quasten an ihren Gewändern lang, bei jedem Festmahl möchten sie
den Ehrenplatz und in der Synagoge die vordersten Sitze haben, und auf den
Straßen und Plätzen lassen sie sich gern grüßen und von den Leuten Rabbi
(Meister) nennen." (Mt 23,5-7)
Das achte Gebot
beinhaltet schließlich auch die Verpflichtung, dass wir uns selbst so sehen,
wie wirklich sind. Das bedeutet konkret, dass wir uns selbst nichts
vormachen und auch unsere Schwächen und Fehler klar erkennen sollen.
Aber gerade in diesem Punkt fehlt es oft weit. Während wir bei unseren
Mitmenschen einen sehr scharfen Blick für alle Fehler und Mängel haben, übersehen
wir bei uns selbst oft sogar gravierende Fehler. Auf unser Verhalten
treffen dann genau die folgenden Worte Jesu zu: "Warum siehst du den
Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du
nicht?" (Mt 7,3) Während wir bei unserem Urteil über die anderen oft
gnadenlos sind, haben wir für uns selbst stets eine Ausrede parat. Wir sind oft
auch wahre Meister der Verdrängung: Wir wissen, dass wir endlich mit
gewissen Lastern wie Alkohol, Nikotin und Sex aufräumen müssten, aber
wir tun so, als ob diese Probleme nicht existieren würden. Wir erleben, dass es
in unserer Ehe ständig Krisen gibt, aber wir tun nichts für ihre
Sanierung. Wir erfahren, dass es am Arbeitsplatz immer wieder Spannungen
gibt, aber wir tun nichts zur Beilegung der Konflikte. In stillen Momenten wird
uns bewusst, dass unser ganzes Leben völlig sinnlos ist, aber wir lenken
uns ab und versuchen uns zu betäuben. Wir spüren den inneren Anruf Gottes,
endlich mit dem Glauben Ernst zu machen, aber wir stopfen uns die
inneren Ohren zu.
Und wieder finden wir im Evangelium Jesu treffende Worte, die genau diese
Verschließung des Menschen gegenüber der Wahrheit beschreiben: "Denn das
Herz dieses Volkes ist hart geworden, und mit ihren Ohren hören sie nur schwer,
und ihre Augen halten sie geschlossen, damit sie mit ihren Augen nicht sehen
und mit ihren Ohren nicht hören, damit sie mit ihrem Herzen nicht zur Einsicht
kommen, damit sie sich nicht bekehren und ich sie nicht heile." (Mt 13,15)
Das achte Gebot
verpflichtet uns, den guten Ruf eines Menschen zu schützen. Es ist nicht
erlaubt, durch gezielte falsche Aussagen das Ansehen eines Menschen zu
schädigen. Der gute Ruf ist für den Menschen eine unerlässliche
Voraussetzung dafür, dass er von der Gesellschaft akzeptiert wird.
Ohne guten Ruf wird er leicht zum Ausgestoßenen, der sowohl menschlich als auch
gesellschaftlich sehr schnell in Schwierigkeiten gerät. Leider müssen wir heute
feststellen, dass es immer wieder zu Verleumdungen und Rufschädigungen kommt.
In allen öffentlichen Bereichen - in der Wirtschaft, in der Politik,
aber auch in der Kirche - wird mit Verdächtigungen, Diffamierungen,
Verleumdungen und Hetzkampagnen gearbeitet. Die Betroffenen können sich gegen
diese Attacken kaum wehren: Sie haben zwar die Möglichkeit, gegen diese
Leute einen Prozess zu führen, aber auch im Falle einer Verurteilung der
Gegenseite bleibt immer etwas von den Verleumdungen und Diffamierungen hängen.
Dazu kommt, dass die Rufgeschädigten oft nicht über die medialen Mittel
verfügen, um sich gegen gewisse Verleumdungen zur Wehr zu setzen. Auf diese
Weise bleibt oft nur ein Gefühl von Ohnmacht zurück. Die Wahrheit aber bleibt
allemal auf der Strecke.
Das achte Gebot
verlangt weiters, dass die Medien eine wahrheitsgemäße Berichterstattung und
Kommentierung der verschiedenen Ereignisse gewährleisten. Der moderne
Mensch ist mehr denn je auf die Informationen angewiesen, die ihm die Medien
liefern. Das Welt-Bild des modernen Menschen ist weitgehend das Medien-Bild,
das ihm auf verschiedensten Kanälen vermittelt wird. Die Medien haben heute
eine Bedeutung und Intensität erreicht, wie sie bis vor kurzem noch
unvorstellbar war.
Leider müssen wir heute auch bei den Medien feststellen, dass sie oft nicht die
Wahrheit vermitteln. Sie dienen oft vielmehr bestimmten politischen und
wirtschaftlichen Interessen. Sie sind oft stark von ideologischen
Standpunkten beeinflusst. Sie rücken gewisse Geschehnisse einseitig in den
Vordergrund und lassen andere wichtige Ereignisse beiseite. Die Medien denken
oft mehr an das Geschäft und opfern dafür Wahrheit und Moral. Sie leben
von Skandalen und Enthüllungen und treten die menschliche Würde mit
Füßen. Sie werben für eine völlig liberale Gesellschaft und verhöhnen
alle moralischen Werte. Sie fördern oft eine verrückte Kultur und machen
jede harmonische Kultur lächerlich. Sie hetzen gegen das Christentum und die
Kirche und diffamieren Papst und Bischöfe. Die Medien sind längst zu einer
ungeheuren Gefährdung für das Innerste des Menschen geworden: Die
westliche Welt erlebt heute über die Medien eine Konsumwerbung, die den
Menschen zu einem materialistischen Instinktwesen degradiert. Die Medien
vermitteln aber auch zunehmend eine esoterischen Spiritualität, die zu
einer schleichenden Aushöhlung der christlichen Wahrheiten führt. Die liberalen
Medien weichen heute alle Prinzipien auf und bereiten damit dem
antichristlichen Geist den Weg. Heute wird uns mehr denn je bewusst, wie recht
Jesus hatte, als er sagte: "Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein; alles
andere stammt vom Bösen." (Mt 5,37)
Das achte Gebot
schließt auch die öffentliche Schweigepflicht bestimmter Personen und
Einrichtungen ein. Im Interesse der Bürger müssen verschiedene Kenntnisse
und Daten geschützt werden. Aus diesem Grund sind z. B. Ärzte, Beamte,
Lehrer, Banken, Wirtschaftsunternehmen u. a. zum Schweigen verpflichtet.
Sie dürfen keine Kenntnisse und Daten an die Öffentlichkeit weitergeben, aus
denen den Bürgern Nachteile erstehen könnten. Leider müssen wir feststellen,
dass auch in diesem Bereich vieles nicht stimmt. Es gibt heute so viele Informationen
und "Enthüllungen" von geheimsten Dingen, dass man sich als
normaler Bürger immer wieder die Frage stellen muss, wie das möglich ist. Wir
wundern uns, dass gewisse Journalisten bereits die Ergebnisse von geheimen
politischen Verhandlungen kennen. Wie sind diese Journalisten zu ihren
Informationen gelangt? Wir stellen fest, dass wir von gewissen Wirtschaftsunternehmen
spezifisches Werbematerial erhalten. Woher wissen diese Unternehmen, dass wir
an diesen Produkten interessiert sind? Weiters stellen wir fest, dass der Staat
immer mehr Einblick in unsere finanziellen Angelegenheiten erhält. Über die
Steuererklärungen kennt er die meisten unserer Finanzaktionen, über die
Mehrwertsteuer kennt er jede Ein- und Ausgabe, über die Quellensteuer guckt er
in unsere Sparbücher und Wertpapiere. Wir wissen inzwischen auch, dass der
Staat über zentrale Computer sämtliche personalen Daten abrufen kann.
Auf diese Weise kann er jederzeit unsere persönlichen Daten über Ehe,
Familie, Berufsausbildung, Karriere, Geschäfte, Finanzen, Steuern,
Versicherungen, Wohnungswechsel, Krankheiten, Unfälle und eventuelle Straftaten
kontrollieren. Er kann über Satellit unsere Telefongespräche verfolgen und über
Chips im Auto unsere Ortsveränderungen feststellen, er kann aber auch unsere
Kontakte über Fax und Internet überprüfen. Wir leben längst in einer Gesellschaft
ohne Geheimnisse und Diskretion, es gibt keine Intimität und keine Tabus
mehr. Unsere Gesellschaft ist so transparent geworden, dass wir buchstäblich in
einem gläsernen Haus sitzen. Der totale Kontrollstaat ist technisch in
greifbare Nähe gerückt und ermöglicht zunehmend eine heimliche Diktatur. Das
berühmte Wort von George Orwell: "Der große Bruder (gemeint ist damit der
Staat) wacht über dich" scheint immer mehr Wirklichkeit zu werden. Dieser
erschreckende Verlust einer privaten Sphäre bedeutet aber das schleichende Ende
der menschlichen Person und der freien Gesellschaft.
Beim achten Gebot
stellt sich schließlich auch die Frage, ob wir in allen Fällen die Wahrheit
sagen dürfen. Es gibt oft Situationen, in denen es nicht leicht ist, die
Wahrheit zu sagen. Es gibt sogar Grenzfälle, bei denen es besser zu sein
scheint, nicht die Wahrheit zu sagen.
Ein solcher
Grenzfall ist z. B. dann gegeben, wenn wir uns bei einem Schwerkranken
fragen, ob wir ihm die ganze Wahrheit sagen sollen oder nicht. Ist es
besser, dass ein Krebskranker erfährt, wie es wirklich um ihn steht, oder
sollen wir ihm seinen Zustand verschweigen? Was sollen wir antworten, wenn uns
der Kranke selber fragt, wie es wirklich um ihn steht? Sollen wir ihm sagen, dass
er bald sterben muss, oder sollen wir ihm falsche Hoffnungen machen? Aus
christlicher Sicht gilt hier folgender Grundsatz: Man sollte bei aller
Berücksichtigung der besonderen Umstände niemals das Gegenteil der Wahrheit
sagen. Konkret bedeutet das, dass wir aus einem unheilbaren Krebs nicht
einen Blinddarm machen sollten. Wir dürfen also nicht den kritischen Zustand
des Patienten verharmlosen. Es sollte vielmehr unser Ziel sein, dass wir den
Patienten doch allmählich über seinen Zustand aufklären. Es stellt sich
dabei allerdings die Frage, in welcher Weise das geschehen soll. Es gibt
robustere Naturen, die die offene Wahrheit vertragen und denen man die ganze
Wahrheit sagen kann. Er gibt aber auch sehr sensible Personen, denen man die
Wahrheit nur schrittweise eröffnen kann. Es kommt dann auch noch sehr darauf
an, wer die Wahrheit sagt. Eigentlich wäre es Aufgabe des Arztes, den
Patienten in behutsamer Weise über seinen Zustand aufzuklären. Aber viele Ärzte
haben oft nicht die Zeit zu einer behutsamen Aufklärung des Patienten und sagen
diesem die Diagnose brutal ins Gesicht. Etliche Ärzte nehmen sich aber die Zeit
zu einem persönlichen Gespräch mit den Kranken und helfen ihnen in sehr
menschlicher Weise, die harte Wahrheit anzunehmen. Es wird heute auch oft die
Ansicht vertreten, dass ein Angehöriger dem schwerkranken Patienten
sagen sollte, wie es wirklich um ihn steht. Ein Angehörige hat nämlich den
Vorteil, dass er den Patienten menschlich besser kennt als der Arzt. Er kann
ihn oft viel persönlicher ansprechen und ihm viel persönlicher beistehen. Diese
Aufklärung des Patienten ist für einen Angehörigen oft sehr schmerzlich und ihn
seelisch in Mitleidenschaft: Es ist oft ungeheuer schwer, wenn man den engsten
Angehörigen - einem Vater, einer Mutter, einem Bruder, einer Schwester, oder
gar dem eigenen Kind - mitteilen muss, dass es keine Hoffnung mehr gibt. Aber
es ist gleichzeitig auch ein großer Liebesdienst, wenn ein Angehöriger durch
uns erfährt, wie es um ihn steht. Er wird dann nicht durch eine fremde Person
mit seinem Schicksal konfrontiert, sondern erfährt sein schweres Los durch eine
Person, die ihn liebt und trägt. Neben dem Arzt oder den Angehörigen kann es
aber auch ein Krankenhausseelsorger sein, der einem Patienten die
Wahrheit über seinen Zustand mitteilt. Diese Eröffnung durch einen Priester
kann besonders für einen gläubigen Menschen eine große Hilfe sein. Der Priester
ist für diesen Menschen immer auch ein Diener Gottes, der ihm die Kraft und die
Nähe Gottes vermittelt. So können wir also festhalten, dass es aus christlicher
Sicht richtig ist, dem Patienten die Wahrheit über seinen Zustand zu sagen. Wir
sollten dies allerdings in der richtigen Form und durch die richtigen Personen
tun.
Für dieses Stehen zu einer schwierigen und harten Wahrheit gibt es aus
christlicher Sicht noch einen weiteren gewichtigen Grund: Der schwerkranke
Mensch sollte rechtzeitig über seinen wahren Zustand informiert werden, damit
er sich entsprechend auf die Ewigkeit vorbereiten kann. Aus christlicher
Sicht ist es wichtig, dass sich ein Mensch vor seinem Tod mit Gott versöhnen
kann und auch Gelegenheit hat, gewisse weltliche Dinge in Ordnung zu bringen.
Es hat daher keinen Sinn, dass man einen Menschen solange über seinen wahren
Zustand im unklaren lässt, bis er nicht mehr imstande ist, sein Verhältnis mit
Gott und den Menschen zu bereinigen. Es muss uns Christen bewusst sein, dass
die Ewigkeit so wichtig ist, dass wir einem Menschen auch einen kurzfristigen
Schmerz zumuten dürfen, um sein ewiges Heil zu sichern. Meistens ist es auch
so, dass die Patienten nach einer Phase des Aufbäumens und der Verzweiflung
doch froh sind, dass sie die Wahrheit erfahren haben und sich nun in Ruhe auf
den Eintritt in das ewige Leben vorbereiten können.
Es wäre auch sehr wichtig, dass alle Ärzte und Krankenschwestern
auf den rechten Umgang mit dieser schwierigen Wahrheit vorbereitet würden. Die
Ärzte erfahren im Laufe ihrer langen und intensiven Ausbildung leider nur sehr
wenig über den rechten menschlichen Umgang mit Schwerkranken und Sterbenden.
Viele Ärzte geben es auch ganz offen zu, dass sie in dieser Hinsicht oft eine
gewisse Ohnmacht und Hilflosigkeit empfinden. Sie wissen oft
nicht, wie sie ihren Patienten in diesen kritischen und entscheidenden Momenten
beistehen sollen. Hier gebe es noch einiges zu tun, um der Wahrheit auch in
dieser Grenzsituation in Liebe gerecht zu werden.
Beim achten Gebot
stellt sich aber auch die Frage, ob wir bestimmte Untaten anzeigen sollen. Wie
soll sich z. B. ein Mitarbeiter einer Firma verhalten, wenn er erfährt,
dass die Kollegen im eigenen Betrieb krumme Geschäfte machen? Wie soll sich ein
Mensch verhalten, der Zeuge eines Autounfalls wird und weiß, dass er mit
seinen Aussagen einen armen Schlucker belastet? Wie soll jemand reagieren, der
einen Mann bei der Brandstiftung beobachtet, von dem er weiß, dass er
ein mehrfacher Familienvater ist? Was soll ein Wissenschaftler tun, wenn
er erkennt, dass seine wohl gehüteten Erkenntnisse für die Gesellschaft
gefährlich werden? In solchen Fällen kann ein Mensch oft in größte innere
Schwierigkeiten kommen. Er muss in solchen Fällen aber doch den Mut haben, zur
Wahrheit zu stehen. Es muss ihm bewusst sein, dass die Verheimlichung der
Wahrheit in solchen Fällen dem Bösen Vorschub leistet und damit zu großen
Schäden führt. Durch das Verschweigen der Wahrheit wird es dem Bösen
ermöglicht, ungehindert zu wirken. Durch das Verbergen der Wahrheit kommt es
zur Zunahme der Kriminalität und zu ungesühnten Delikten. Es ist daher
notwendig, dass wir der Wahrheit auch unter schwierigen Umständen zum Sieg zu
verhelfen. Gleichzeitig müssen wir aber auch dafür sorgen, dass sich die
Auswirkungen unserer Aussagen für den Täter und seine Angehörigen durch
entsprechende soziale Maßnahmen in Grenzen halten. Die Wahrheit muss
also trotz mancher harten Folgen immer von der Liebe begleitet sein.
Und schließlich
geht es noch um die Frage, ob und wie Menschen unangenehme Wahrheiten
aussprechen sollen, wenn sie in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen. Soll z.
B. ein Angestellter seinem Chef sagen, dass er sich ungebührlich
benommen hat, wenn er dabei riskiert, seinen Arbeitsplatz zu verlieren? Soll
eine junge Krankenschwester dem Primar mitteilen, dass sie von einem
Oberarzt belästigt wird, wenn sie dann von diesem schikaniert wird? Soll ein Schüler
seinem Lehrer gewisse Fehlleistungen vorhalten, wenn er dann mit entsprechenden
Reaktionen rechnen muss? Aus christlicher Sicht sollte auch in solchen Fällen
versucht werden, der Wahrheit zum Durchbruch zu verhelfen. Allerdings ist es
dabei unerlässlich, gewisse Regeln zu beachten. Die erste dieser Regeln besagt,
dass eine unangenehme Wahrheit um so leichter akzeptiert wird, je größer das Vertrauen
zwischen zwei Personen ist. Das würde also bedeuten, dass sich der Untergebene
zunächst durch korrektes Verhalten und großen Einsatz das Vertrauen seiner
Oberen erwerben sollte. Auf einer soliden Vertrauensbasis ist es dann auch
möglich, unangenehme Wahrheiten zu sagen. Dabei ist allerdings auch gleich die
zweite Regel zu beachten. Diese Regel lautet: Je heikler das Thema, desto
höflicher der Ton. Das bedeutet wiederum, dass wir uns bei heiklen
Wahrheiten um eine besonders höfliche Form bemühen müssen. Eine dritte Regel
verlangt, dass wir eine unangenehme Wahrheit mit Klugheit vorbringen
sollen: Wir müssen für die richtige Atmosphäre sorgen und auch den richtigen
Zeitpunkt abwarten. Manchmal ist es auch empfehlenswert, in kleinen
Schritten vorzugehen. Vor allem aber müssen wir unseren Vorgesetzten davon
überzeugen, dass wir nicht gegen seine Person sind, sondern dass es uns um
die Sache geht. Wir sollten ihm auch zu verstehen geben, dass wir an einem guten
Verhältnis zu ihm interessiert sind. Auf diese Weise ist es meistens
möglich, einem Chef oder einem Vorgesetzten auch unangenehme Dinge zu
vermitteln. In vielen Fällen werden wir nach einem solchen Gespräch von unserem
Vorgesetzten noch mehr geschätzt als vorher. Der Vorgesetzte merkt nämlich,
dass wir an gewissen Grundsätzen festhalten und dass wir an seiner Person und
seinem Betrieb interessiert sind. Auf diese Weise trägt die Wahrheit auch in
solchen Fällen dazu bei, das zwischenmenschliche Klima zu verbessern. Es ist
aber bei allen diesen heiklen Gesprächen ratsam, den Heiligen Geist um
seine Hilfe anzurufen. Wenn uns der Heilige Geist erleuchtet, dann können wir
sicher sein, dass wir die richtigen Worte finden, um der Wahrheit zum
Durchbruch zu verhelfen. Der Heilige Geist wirkt dann auch in der Seele unseres
Gesprächspartners und öffnet sein Herz für die Wahrheit.
GRENZFÄLLE DER
WAHRHEIT
a) Aufklärung von
Schwerkranken
b) Anzeigen von Untaten
c) Unangenehme Wahrheiten
ALLGEMEINER
ÜBERBLICK:
ACHTES GEBOT: DU
SOLLST NICHT LÜGEN!
1) Die Erkenntnis
der Wahrheit
2) Die Bedeutung der Wahrheit
3) Lüge und Betrug
4) Notlügen und Ausreden
5) Die Heuchelei
6) Schlecht über andere reden
7) Anvertraute Geheimnisse weitersagen
8) Nicht gehaltene Versprechen
9) Die Angeberei
10) Die Selbsttäuschung
11) Verleumdung und Rufschädigung
12) Manipulation durch die Medien
13) Schweigepflicht und Datenschutz
14) Grenzfälle der Wahrheit