Die
sakramentale Gnade der Ehe
Liebe
Mitchristen!
Viele junge Paare fragen sich heute „Wozu heiraten?“. Manche sind sich gar
nicht sicher, ob das Eingehen einer Ehe überhaupt geboten ist, insbesondere
solange keine Kinder da sind. Auf jeden Fall scheint es ihnen angebracht,
zuerst einmal zu schauen, ob ein Leben miteinander möglich ist. Sie erhoffen
sich, durch ein Zusammenleben die Frage nach lebenslangem Zusammenpassen klären
zu können. – dass ein tägliches Leben miteinander unweigerlich erhöhte
Anforderungen an die Beziehungsfähigkeit stellt, auch bei gutem Willen
Begrenzungen aufdeckt, die nicht „über Nacht“ behoben werden können, wird
übersehen. Wenn dann der prüfende Blick: „Lohnt sich das?“ dazu kommt, kann der
Wille zum lebenslangen „Ja“ schwierig werden. Sie übersehen, dass meist tiefe
Verwundungen zurückbleiben, wenn sie nach einem intimen Verhältnis auseinander
gehen. Sie übersehen auch, dass sich nicht selten gar keine tiefere Beziehung
zwischen ihnen entwickelt, wenn von Anfang an vor allem die geschlechtliche
Befriedigung gesucht wird. Sie übersehen weiters,
dass die Freiheit der Entscheidung füreinander beeinträchtigt ist, wenn bereits
durch die Lebensweise eine Bindung entstanden ist. Besonders stark wird die
Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt, wenn eine unerwartete Schwangerschaft
eintritt.
Eine besondere Problematik für viele junge Paare ist die Entscheidung, ob sie
kirchlich heiraten sollen. Das hängt oft damit zusammen, dass sie keine engere Beziehung
zur Kirche haben und dass ihnen das Verständnis für die Bedeutung der
Sakramente im allgemeinen und für das Ehesakrament im
Konkreten fehlt. Die Vorstellungen bezüglich Ehesakrament sind häufig sehr
kümmerlich und oberflächlich.
Tragisch ist es, wenn sie sich nach Jahren des Zusammenlebens zu einer
kirchlichen Trauung aufraffen und wenige Monate später scheiden lassen, was
leider vorkommt.
Vor diesem Hintergrund möchte ich das Thema „Die sakramentale Gnade der Ehe“ zu
behandeln versuchen und mich mit den Fragen auseinandersetzen: Was ist das
Ehesakrament im Verständnis der Kirche? Was bewirkt es? Was ist die
sakramentale Gnade des Ehesakramentes? Wie wirkt sie? Welches sind die
Voraussetzungen dafür, dass sie wirkt? Was könnte man tun, um jungen Paaren
beizustehen? Und da leider auch nach einer größeren Zahl von Ehejahren
Scheidungen nicht selten sind, wird es gut sein, ältere Ehepaare bei diesen
Überlegungen nicht auszuklammern.
Das Ehesakrament im
Verständnis der Kirche
Zunächst
scheint mir wichtig festzuhalten, dass das Ehesakrament im Verständnis der
Kirche den Schöpfungsplan Gottes in Bezug auf Ehe und Familie voraussetzt.
Dieser lässt sich gerafft etwa folgendermaßen zusammenfassen:
Da Gottes Wesen die Liebe ist, hat er den Menschen aus Liebe erschaffen, und
zwar als sein Abbild. Aus dem gleichen Grund hat er ihn zur Liebe bestimmt.
Liebe ist die angeborene, grundlegende Berufung jedes Menschen (vgl. KKK 1604).
Im Katechismus der Katholischen Kirche heißt es in Punkt 1702: „Das Bild Gottes
ist in jedem Menschen gegenwärtig. Es wird in der Gemeinschaft der Menschen,
die der Einheit der göttlichen Personen gleicht, sichtbar.“ In den folgenden
Punkten wird diese Aussage näher entfaltet: „Weil er eine ’geistige und
unsterbliche Seele’ besitzt (II. Vat. Konzil, „Kirche
und Welt“, GS 14), ist ’der Mensch ..... auf Erden das
einzige Geschöpf ...., das Gott um seiner selbst
willen gewollt hat (GS 24, 3)’. Schon von seiner Empfängnis an ist er für die
ewige Seligkeit bestimmt“ (KKK 1703).
„Der Mensch hat am Licht und an der Kraft des göttlichen Geistes teil. Durch
seine Vernunft ist er fähig, die vom Schöpfer in die Dinge hineingelegte
Ordnung zu verstehen. Durch seinen Willen ist er imstande, auf sein wahres Heil
zuzugehen. Er findet seine Vollendung in der „Suche und Liebe des Wahren und
Guten“ (GS 15, 2), (KKK 1704).
„Dank seiner Seele und seiner geistigen Verstandes- und Willenskraft ist der
Mensch mit Freiheit begabt, die ’ein erhabenes Kennzeichen eines göttlichen
Bildes im Menschen’ ist (GS 17).“ (KKK 1705).
„Durch seine Vernunft vernimmt der Mensch die Stimme Gottes, die ihn drängt,
’das Gute zu lieben und zu tun und das Böse zu meiden’ (GS 16). ... Im
sittlichen Handeln zeigt sich die Würde des Menschen“ (1706).
Der Mensch ist ein Mikrokosmos. Er vereinigt in sich Geist und Körper. So ist
er die Krönung der Schöpfung, die ein Ausdruck der
Herrlichkeit Gottes ist, dazu angelegt, an dieser Herrlichkeit teilzuhaben.
Gott hat den Menschen als Mann und Frau erschaffen. Ihre gegenseitige Liebe kann
zu einem Bild der unverbrüchlichen absoluten Liebe werden, mit der Gott den
Menschen liebt. Ihre Liebe ist in den Augen des Schöpfers gut, ja sehr gut (Gen
1, 31). Die eheliche Liebe wird von Gott gesegnet und dazu bestimmt, fruchtbar
zu sein und sich im gemeinsamen Werk der Verantwortung für die Schöpfung zu
verwirklichen: „Gott segnete sie, und sprach zu ihnen: ’Seid fruchtbar und
vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch’“ (Gen 1, 28).
Die Ehe unterliegt – wie im Konzilsdokument „Gaudium et Spes“
festgehalten wurde – nicht der Gestaltungswillkür des Menschen. Sie gehört zum
Schöpfungsplan Gottes. „Die innige Gemeinschaft des Lebens und der Liebe in der
Ehe wurde vom Schöpfer begründet und mit eigenen Gesetzen geschützt ... Gott
selbst ist der Urheber der Ehe“, heißt es wörtlich in der Pastoralkonstitution
Kirche und Welt (GS 48, 1) und im Katechismus der Katholischen Kirche steht:
„Die Berufung zur Ehe liegt schon in der Natur des Mannes und der Frau, wie
diese aus den Händen des Schöpfers hervorgegangen sind. Die Ehe ist nicht eine
rein menschliche Institution, obwohl sie im Laufe der Jahrhunderte je nach den
verschiedenen Kulturen, Gesellschaftsstrukturen und Geisteshaltungen zahlreiche
Veränderungen durchgemacht hat“ (KKK 1603).
Die eheliche Gemeinschaft ist nach dem Schöpfungsplan Gottes auf gegenseitige
Liebe und Fortpflanzung hingeordnet und ihre
wesentlichen Eigenschaften sind die Einheit, die Unauflöslichkeit und die
Ausrichtung auf Nachkommenschaft. Die Ehe ist eine Art, wie der Mensch seiner
Bestimmung, seiner Berufung entspricht. Durch Christus wissen wir, dass es auch
eine zweite Art gibt, der Berufung als Mensch ganzheitlich – mit Leib und Seele
– zu entsprechen, nämlich indem sich jemand ganz in den Dienst des Reiches
Gottes stellt und aus diesem Grund auf Ehe verzichtet.
Störung der
Schöpfungsordnung durch die Sünde
Es darf aber
nicht außer acht gelassen
werden, dass die Schöpfungsordnung durch die Sünde in Unordnung geraten ist.
Das gilt allgemein in Bezug auf die ganze Schöpfung und den Menschen, aber auch
konkret in Bezug auf Ehe und Familie. Der Katechismus der Katholischen Kirche
lehrt dazu: „Jeder Mensch erfährt in seiner Umgebung und in sich selbst das
Böse. Diese Erfahrung zeigt sich auch in den Beziehungen zwischen Mann und
Frau. Ihre Vereinigung war zu allen Zeiten durch Zwietracht, Herrschsucht,
Untreue, Eifersucht und Konflikte bedroht, die bis zum Hass und zum Bruch gehen
können. Diese Unordnung kann sich mehr oder weniger stark äußern. Sie lässt
sich je nach den Kulturen, Epochen und Individuen mehr oder weniger überwinden,
scheint aber doch eine allgemeine zu sein“ (1606). Und weiter unten: „Als Bruch
mit Gott zieht die Ursünde als erste Folge den Bruch der ursprünglichen
Gemeinschaft von Mann und Frau nach sich. Ihre Beziehungen werden durch
gegenseitige Vorwürfe getrübt; ihre gegenseitige, vom Schöpfer eigens
geschenkte Zuneigung entartet zu Herrschsucht und Begierde; die schöne Berufung
von Mann und Frau, fruchtbar zu sein, sich zu vermehren und sich die Erde zu unterwerfen,
wird durch die Schmerzen des Gebärens und durch die Mühe des Broterwerbs
belastet“ (1607). Die Schöpfungsordnung bleibt trotzdem bestehen, auch wenn sie
durch die Sünde schwer belastet ist. Gott aber hat den Menschen nicht
verlassen. Er hat uns seinen Sohn gesandt und den Heiligen Geist. Mit der Hilfe
Gottes kann der Mensch sein Ziel erreichen, er muss sich aber dessen bewusst
sein, dass er der Erlösung bedarf. In diesem Sinn lehrt der Katechismus: „Um
die durch die Sünde geschlagenen Wunden zu heilen, benötigen Mann und Frau die
Hilfe der Gnade, die Gott in seiner unendlichen Barmherzigkeit ihnen nie
verweigert hat. Ohne diese Hilfe kann es dem Mann und der Frau nie gelingen,
die Lebenseinheit zustande zu bringen, zu der Gott sie ’am Anfang’ geschaffen
hat“ (1608).
Die Heilsordnung
Durch
Christus wird es für den Menschen möglich, trotz Fehlern und Schwachheit sein
Ziel zu erreichen. Er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben (vgl. Joh 14, 6),
er bringt die Fülle der Offenbarung und zugleich die nötige Hilfe von Gott,
Heilung durch Vergebung der Sünden, die Gnade der Freundschaft mit Gott, die
unser Herz für ihn öffnet und uns an seinem Leben teilhaben läßt.
Von Christus empfangen wir aber auch konkrete Hilfe, um den Aufgaben des Lebens
zu entsprechen.
All das gilt ganz allgemein, aber auch konkret für die Ehe, die Christus wegen
ihrer hervorragenden Bedeutung in der Schöpfungs- und in der Heilsordnung zu
einem Sakrament erhoben hat.
Die Grundlage
Um die
Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten dieser Heilsordnung verstehen zu können,
müssen wir von den Grundlegungen des christlichen Lebens ausgehen. Durch die
Taufe wurden wir in das Erlösungswerk Christi – in sein Leiden und Sterben,
sowie in seine Auferstehung – eingetaucht, erlangten wir die Vergebung der
Erbsünde. Ein Erwachsener, der getauft wird, erlangt die Vergebung aller vor
der Taufe begangenen Sünden, sofern er sie bereut und zur inneren Umkehr bereit
ist. Durch die Taufe kam es zur Eingliederung in die Gemeinschaft mit Christus,
zur Begründung der Verbundenheit mit ihm, der als Sohn Gottes eins ist mit dem
Vater und dem Heiligen Geist, es kam zur Grundlegung der Freundschaft mit Gott.
So wurde ein Leben in der Gnade Gottes und in Offenheit auf ihn hin möglich.
Durch die Firmung wurde diese Eingliederung vervollständigt, die Verbundenheit
mit Christus besiegelt. Der besondere Beistand des Heiligen Geistes und seiner
Gaben wurde zugesagt, um in allen Situationen des Lebens die Möglichkeiten der
Gestaltung des Lebens auf Christus hin zu erkennen, um jeweils den richtigen
Weg zu wählen. Die Taufe befähigt uns zum Empfang der Eucharistie, die Firmung
bestärkt diese Fähigkeit. Durch die Eucharistie können wir mit Christus eins
sein, mit ihm, der sein Leben zur Rettung der Welt und zu unserer Rettung hingegeben
hat. Von ihm empfangen wir Speise und Kraft für ein Leben der Hingabe an Gott.
Durch das Bußsakrament wird die Verbundenheit mit Gott wieder hergestellt: Wenn
diese durch die Sünde verloren gegangen ist; wenn keine schwere Sünde vorliegt
und das Sakrament mit dem Verlangen nach Reinigung und Verbesserung empfangen
wird, dann wird die Verbundenheit mit Gott durch dieses Sakrament befestigt und
vertieft, zugleich werden besondere Hilfen vermittelt, um in jenen Punkten
wirksam zu „kämpfen“, in denen es besonders nötig ist.
Das Ehesakrament
In der Ehe
schließen sich ein Mann und eine Frau zu einem Bund für das ganze Leben
zusammen, um gemeinsam und zusammen mit den Kindern, wenn Gott sie schenkt, das
Lebensziel – lieben lernen – zu erstreben.
In der Ehe wird bei jenen, die sie eingehen, die durch Taufe und Firmung
grundgelegte christliche Berufung – das Streben nach wahrer Liebe, nach
Vollkommenheit, nach Heil und Heiligkeit – konkretisiert: Durch das
gegenseitige Versprechen, einander treu zu sein, bis der Tod sie scheidet, und
zu Kindern ja zu sagen, wenn Gott sie schenkt, entsteht zwischen dem Brautpaar
ein unauflösliches Eheband, das durch Gott besiegelt wird. Mann und Frau werden
so zu einer Einheit, sie werden ein Fleisch, eine personale Gemeinschaft. Ab
diesem Augenblick gehören sie für immer auf ihrem Weg zu Gott zusammen. Es
könnte auch so gesagt werden: durch die Eheschließung erhält der Weg zu Gott
für einen Mann, für eine Frau einen konkreten Namen. Der Ehepartner wird in
einem gewissen Sinne zum Träger des Rufes Gottes. Durch die gemeinsame
Bewältigung des Lebens und seiner Prüfungen, durch die Sorge um die Kinder
sollen sie, geführt vom Heiligen Geist, gemeinsam mit Christus in der
Befähigung zur Liebe wachsen, allmählich gereift, verwandelt werden. Bei all
dem sind auch die persönlichen Eigenschaften der Ehepartner und ihrer Kinder,
die persönlichen Anlagen, Fähigkeiten und Schwächen jedes einzelnen Mitgliedes
der Familie miteinzubeziehen. Gott ruft uns zur Liebe und zum Wachstum in der
Liebe so wie wir sind. Er schenkt uns dazu aber auch seine Hilfe und Gnade.
Das Eheband entsteht immer, wenn das Sakrament gültig gespendet bzw. empfangen
wird, das heißt, wenn Mann und Frau sich in Freiheit und mit der entsprechenden
Absicht – für immer, ohne Bedingungen und offen für Kinder – gegenseitig das
Ja-Wort geben und keine Ehehindernisse vorliegen. Das ist ähnlich wie bei der
Taufe, bei der Firmung oder bei der Priesterweihe. Diese Sakramente
hinterlassen in der Seele ein geistiges, unauslöschliches Prägemal,
wenn sie gültig gespendet werden, sodass jene, die sie empfangen, für immer
getauft, gefirmt, geweiht sind.
Ein Sakrament der
Lebenden
Geistlich
und menschlich fruchtbar werden aber diese Sakramente nur dann, wenn die
nötigen persönlichen Voraussetzungen gegeben sind: Taufe und Bußsakrament - in
bestimmten Situationen auch die Krankensalbung – bewirken die Vergebung der
Sünden und den Empfang der heiligmachenden Gnade, das heißt die
freundschaftliche Verbundenheit mit Gott. Das Bußsakrament schenkt außerdem –
wie bereits gesagt – auch sakramentale Gnaden, das heißt besondere
Gnadenhilfen, um sich in jenen Bereichen wirksam zu bemühen, die
Schwierigkeiten bereiten. Diese Wirkungen – Vergebung der Sünden, Vermittlung
der heiligmachenden und der helfenden Gnade zur Entfaltung des Menschseins –
treten aber, jedenfalls bei jenen, die zum Vernunftgebrauch gelangt sind, nur
dann ein, wenn die begangenen Sünden bereut werden und wenn der Vorsatz zur
Lebensänderung besteht. Außerdem ist normalerweise das aufrichtige Bekenntnis
in einer persönlichen Beichte bei einem Priester nötig.
Die anderen Sakramente – die Firmung, die Eucharistie, die Priesterweihe und
auch das Ehesakrament - setzen den Stand der Gnade voraus, um geistlich
fruchtbar zu sein.
Getaufte, die nicht entsprechend leben, die die Gebote Gottes nicht beachten,
gegen sie in wichtiger Materie verstoßen, gleichen einem Luster
ohne Licht. Sie sind zwar getauft (der Luster wurde
erzeugt), aber Christus ist in ihnen nicht lebendig (das Licht brennt nicht),
sie leben nicht im Stand der Gnade, in Freundschaft mit Gott. Wenn solche
Getaufte die Firmung empfangen, sind sie zwar, wenn ein dazu bevollmächtigter
Spender das Sakrament spendet und dabei das tut, was die Kirche mit der
Spendung dieses Sakramentes tun will, gültig gefirmt, das heißt, sie empfangen
das geistige, unauslöschliche Prägemal der Firmung in
ihrer Seele, aber das Sakrament wird nicht fruchtbar, solange sie nicht
umkehren, durch das Sakrament der Buße die Vergebung empfangen und neuerlich in
den Stand der Gottverbundenheit gelangen. Erst dann leuchtet wieder das Licht
auf, die heiligmachende Gnade wird entfacht und sie empfangen die sakramentalen
Gnaden und, als besondere Frucht der Firmung, den Beistand des Heiligen Geistes
und seine Gaben. Ähnliches gilt für die Priesterweihe und auch für das
Ehesakrament. Diese Sakramente werden deshalb genauso wie die Eucharistie
Sakramente der Lebenden genannt im Sinne, dass in den Empfängern das Leben im
Geiste Jesu Christi, die heiligmachende Gnade als Voraussetzung für die
Fruchtbarkeit vorhanden sein muss.
Vermehrung der
heiligmachenden Gnade
Wenn die
Empfänger im Stand der Gnade leben, also keine schwere Sünde vorliegt und der
Verbundenheit mit Gott kein Hindernis entgegen steht, dann wird durch den
Empfang dieser Sakramente einerseits die heiligmachende Gnade verstärkt und
vermehrt, andererseits sakramentale, d.h. besondere Gnadenhilfe vermittelt.
Diese unterstützt bei der Ausübung jener Aufgaben und Pflichten, die der
Empfang dieser Sakramente mit sich bringt.
Für das Ehesakrament gilt außerdem als Besonderheit: Der hl. Paulus nennt das
Ehesakrament ein großes Geheimnis, weil es die Beziehung Christi zur Kirche
darstellt. Konkret: Mann und Frau sollen so füreinander da sein, wie Christus
für die Kirche da ist: er gibt sein Leben hin und schenkt sich sogar als
Speise. Die Eheleute dürfen davon ausgehen, dass sie alle nötigen Gnadenhilfen
empfangen, um ihrer Berufung und den damit verbundenen Aufgaben entsprechen zu
können, da sie ihren Bund in Christus geschlossen haben, das heißt, in seinem
Sinne, mit der gleichen Bereitschaft zur Hingabe, die er uns vorgelebt hat.
Durch den Empfang des Ehesakramentes wird, erstens, die Verbundenheit mit Gott
vertieft und die heiligmachende Gnade vermehrt. Das Ehesakrament ist – wie
bereits erklärt – eine Konkretisierung der in Taufe und Firmung grundgelegten
christlichen Berufung. Diese besteht im Miteinander von Mann und Frau, im
Bestreben, einander das Hilfreiche, Aufbauende zu tun, im Streben nach Heiligkeit,
nach Vollkommenheit, nach Wachstum in der Liebe. Der Empfang des Ehesakraments
bewirkt bei jenen, die im Stand der Gnade leben, eine Vermehrung dieser
heiligmachenden Gnade, es wächst die Kraft, das Erlösende füreinander zu tun.
Das ist für sie die wichtigste Grundlage der Zuversicht: wer mit Gott verbunden
ist, weiß sich immer und in allem, insbesondere im Schwierigen begleitet. Das Bewußtsein der Nähe Gottes ist die beste Ermutigung im
persönlichen und gemeinsamen Bemühen.
Sakramentale Gnade
Die Eheleute
dürfen aber, zweitens, gleichzeitig darauf bauen, dass ihnen auch alle nötigen
spezifischen Gnaden im Sinne sakramentaler Gnaden zuteil
werden, um den Herausforderungen des gemeinsamen Lebens, der Erziehung
der Kinder, der Entfaltung einer christlichen Familie gewachsen zu sein. Diese
sakramentalen Gnaden empfangen die Eheleute als Einzelperson und als eheliche
Gemeinschaft, wenn sie beide um ein christliches Leben aufrichtig bemüht sind,
das heißt: suchen, anklopfen, bitten um den heilenden und heiligenden Geist (Lk
11,5 – 13).
Das Ehesakrament wird zur Quelle, aus der sie schöpfen können, um einen
gemeinsamen Weg im Zusammenleben zu finden, um sich selbst und einander besser
verstehen zu lernen, um sich gegenseitig zu ergänzen, um Konflikte abzubauen und
Vergebung zu üben, um aufmerksam zu sein und einander im Positiven zu fördern.
Die Sorge um die Kinder in den verschiedenen Phasen ihres Lebens wird für die
Eltern eine immer wieder neue Gelegenheit, ihre Liebe nach dem Vorbild Christi
und verbunden mit ihm zu entfalten. Das Ehesakrament bildet in den Eheleuten
eine Grundlage für einen Wachstums-, Läuterungs- und Reifungsvorgang, der das
ganze Leben lang andauert und in den verschiedenen Lebensphasen mit den
wechselnden Umständen in vielfacher Hinsicht immer wieder neue Facetten
annimmt.
All das setzt, um wirksam und fruchtbar zu sein, - ich wiederhole - die
Verbundenheit mit Gott voraus bzw. das Verlangen danach.
Hilfen auf dem Weg
Eine große
Bedeutung kommt dabei der Eucharistie zu. Alle Sakramente sind auf die
Eucharistie ausgerichtet, das Ehesakrament empfängt durch die Eucharistie in
besonderer Weise Speise und Bestärkung: wir hören die Botschaft Jesu, der uns –
wenn wir seine Impulse im Leben umsetzen zur Aufrichtung, zu echter
Menschlichkeit führt. Eheleute begegnen in der Eucharistie dieser großen Liebe
des Herrn, der für die Kirche, auch für sie sein Blut vergossen hat. Die
Eucharistie erinnert sie an ihr gegebenes Treueversprechen, sie schenkt ihren
Bemühungen Nahrung, Energie. Er selbst, der Herr und Erlöser, bestärkt sie auf
ihrem Weg und gibt ihnen Kraft durchzuhalten, auch wenn es manchmal schwer ist
und viel von ihnen abverlangt. Die hl. Kommunion führt zur Einheit mit ihm und
zur Einheit untereinander.
Weiters kommt auch dem regelmäßigen Empfang des
Bußsakramentes gerade für das Eheleben und das Leben in der Familie große
Bedeutung zu: das Licht muss immer wieder neu entzündet werden, wenn es
erlischt; die Asche, die sich aufgrund der Unvollkommenheiten der einzelnen
Mitglieder der Familie im Alltag ansammelt, muss entfernt, die Glut entfacht
werden. Die Versöhnung in der Familie beginnt oft mit dem ehrlichen
Eingeständnis der eigenen Schuld im Bußsakrament, im Empfang der Vergebung und
mit einem festen Vorsatz, neu anzufangen. In der persönlich abgelegten,
aufrichtigen Beichte lassen wir alle falschen Entschuldigungen beiseite,
konkretisieren wir unsere Bemühungen, empfangen wir neues Licht, um auf den
anderen zuzugehen, und jene Gnadenhilfen, Ideen, die nötig sind, um ausdauernd
und ohne Entmutigung auf dem Weg weiterzugehen.
Die Notwendigkeit,
sich persönlich anzustrengen
Beim
Nachdenken über die Sakramente – und das gilt auch für das Ehesakrament –
stoßen wir auf die Grundlage, die uns mit Recht Hoffnung vermittelt; wir
erkennen, dass Gott uns beisteht, Gnade schenkt. Der Glaube sagt uns, dass Gott
den Menschen guten Willens niemals im Stich lässt, dass seine Gnade unserem Tun
vorauseilt, uns in allem begleitet und uns auch wieder zurückholt, wenn wir
versagt haben. Es macht uns aber auch bewusst: unser Mittun ist erforderlich.
Im Katechismus der Katholischen Kirche heißt es unter Nr. 2002: „Das freie
Handeln Gottes erfordert die freie Antwort des Menschen. Denn Gott hat den
Menschen nach seinem Bild geschaffen und hat ihm zusammen mit der Freiheit die
Fähigkeit verliehen, ihn zu erkennen und zu lieben. Die Seele kann nur
freiwillig in die Gemeinschaft der Liebe eintreten....“
Die Sakramente dürfen nicht betrachtet werden, als wären sie ein Medikament,
das man nur einnehmen muss und nach einiger Zeit wirkt, ohne dass etwas
Besonderes zu tun wäre. Wenn ein Brautpaar möchte, dass seine Ehe gelingt, wenn
es den Wunsch hat, eine christliche Familie zu gründen, sind persönliche
Initiative und eigenes Bemühen nötig. Zwei Extreme sind falsch: Beten und die
Sakramente empfangen, ohne sich dessen bewusst zu sein, dass eine
Lebensänderung und daher auch persönliche Anstrengung erforderlich ist, oder zu
meinen, alles sei nur Frage der eigenen Anstrengung, so als hinge alles nur von
uns selbst ab, ohne daran zu denken, dass uns Gott seinen Sohn gesandt und dass
uns Christus am Kreuz erlöst hat.
Woher erfahren wir,
was wir tun müssen?
Die
Orientierung für dieses unser Streben – das trifft auch für die Familie zu –
finden wir im Evangelium, so wie es die Kirche lehrt, weiters
in den Erfahrungen der Heiligen und jener, denen Ehe und Familie im
christlichen Sinn ein Anliegen sind. Es zeigt sich im persönlichen und
gemeinsamen Tugendstreben. Dazu gehört z.B. die Bemühung, aufmerksam und
liebevoll zu sein, möglichst zu vermeiden, was verletzen könnte, die
Bereitschaft, bestimmte Aufgaben zu übernehmen usw.. Weiters
wird sich dieses Bemühen unter anderem darin zeigen, dass nach einer kleineren
oder größeren Auseinandersetzung ein Neuanfang versucht wird, dass Klärungen
herbeigeführt und Absprachen getroffen werden usw..
Dafür ist Gespräch nötig, gegenseitige Aufrichtigkeit, aber auch Gebet, das
Gespräch mit Gott und der Empfang der Sakramente, die die Quellen der Gnaden
sind.
So wird das Ehesakrament wirksam: es ist ein Zusammenwirken zwischen Gott und
Mensch, ein Hinhören auf Gott und aufeinander. Ein Anfangen und Neu-Anfangen.
Die Erlösungsbedürftigkeit wird dabei immer wieder von neuem erfahren, weil uns
gewisse Schwächen unser Leben lang begleiten, manchmal auch neue
Schwierigkeiten auftreten.
In der Familie führt dies zur Entwicklung einer gemeinsamen Lebensweise, zur
Einhaltung familiärer Gewohnheiten, zur Pflege des Miteinander
in Arbeit und Freizeit, zur gegenseitigen Förderung. Die Familie wird unter der
Führung des Heiligen Geistes zur wichtigsten Schule des Lebens, der Liebe und
des Glaubens, zu einer Kirche im Kleinen, in der Christus geboren wird und
lebt, sich wahre Liebe entfalten kann. Es ist kein illusorisches Ideal, sondern
konkrete Umsetzung des Glaubens an Christus, Keimzelle der Kirche und Grundlage
der Gesellschaft.
Wege zur Erneuerung
Noch ein
paar Sätze zur Frage, was wir tun können, um jungen Paaren bei der Entdeckung des
Ehesakramentes beizustehen und um Familien, auch ältere Ehepaare, wirksam zu
begleiten.
Wir brauchen Priester, die die Wirksamkeit der Sakramente, insbesondere des
Ehesakramentes verständlich verkünden. Es ist aber keineswegs nur eine
Angelegenheit der Priester, vom Wert, von der Wirkung des Ehesakramentes zu
sprechen. Wir brauchen christliche Ehepaare, die in den heutigen Verhältnissen,
als Hauskirche leben, ihre Erfahrungen entwickeln und an andere weitergeben
bzw. mit ihnen Austausch halten. Ehe und Familie gehören zu den wichtigsten
Themen heute und morgen. In jeder Pfarre, in jeder Gemeinschaft müsste das ein großes Anliegen sein. Wenn der Glaube nicht in der
Familie praktiziert wird, ist die Verkündigung der Kirche nur sehr beschränkt
fruchtbar.
In der Verkündigung muss der Bezug des Evangeliums zum konkreten Familienalltag
erschlossen, sein Bezug zum persönlichen und gemeinsamen Bemühen aufgezeigt
werden, damit ein christliches und menschlich erfreuliches Leben gelingt. Die
Bedeutung der Eucharistiefeier für das Wachsen in der Liebe muss verdeutlicht
werden: in ihr wird das Wort Gottes verkündet und Christus mit seiner großen
Liebe, mit Leib und Blut gegenwärtig. Die einfühlsame Spendung des
Bußsakraments und die damit verbundene persönliche geistliche Begleitung kann
eine sehr wirksame und ermutigende Hilfe sein. Die Betonung, dass wir nicht nur
auf uns allein gestellt sind, sondern Gott uns hilft, ist grundlegend.
Andererseits müssen auch christliche Lebensgewohnheiten, die eine echte Inkulturation des Glaubens erleichtern und fördern, neu
entwickelt und verbreitet werden.
Von großer Bedeutung ist die Ehevorbereitung. Sie ist ein Thema, das eigens zu
behandeln wäre.
Ein anderer wichtiger Bereich ist die Jugendarbeit, die den Charakter einer Berufungspastoral
haben sollte, denn jeder Mensch ist „berufen“. Es kann eine Berufung zum
Priesteramt, zum Ordensmann, zur Ordensfrau, zu einem besonderen apostolischen
Einsatz sein oder eine Berufung zur Ehe, die ebenfalls eine Berufung zur
Heiligkeit bedeutet. Diesbezüglich ist meines Erachtens eine Neuorientierung
der Jugendarbeit und der so genannten Berufungspastoral nötig.
So bitte ich Sie, diese Gedanken bezüglich der sakramentalen Gnade des
Ehesakramentes nicht bloß als theoretische Erwägungen zu betrachten, sondern
die große Herausforderung zu erkennen, der sich alle jene, die glauben, stellen
müssen: Wir dürfen die Frohbotschaft nicht für uns behalten, wir dürfen nicht
verheimlichen, dass es großartige Hilfen für den Menschen gibt, besonders auch
für Eheleute und christliche Familien. Es muss uns ein großes Anliegen sein,
dass auch den Menschen von heute und morgen von Christus Kunde gebracht wird.
Mit seiner Hilfe ist eine lebenslange, glückliche Ehe möglich und wird auch
heute eine christliche Familie gelingen.
So verbleibt mit besten Wünschen
+ Klaus Küng