Herz-Jesu-Verehrung und Familie

 

Liebe Mitchristen!



In der Zeit meines Theologiestudiums in Rom hatte ich das Glück, relativ häufiger Begegnungen mit dem inzwischen selig gesprochenen Josefmaria Escrivá de Balaguer, dem Gründer des Opus Dei. Unvergesslich sind mir unter anderem einige Erlebnisse im Zusammenhang mit liturgischen Fragen. Es war in der zweiten Hälfte der 60er-Jahre, also unmittelbar nach dem Konzil. Als die ersten Liturgiereformen einsetzten, wurden in vielen Kirchen provisorische, meist eher primitive Volksaltäre aufgestellt, oft ohne Schmuck und Würde, häufig ohne Kreuz. Er sagte (das Zitat ist nicht wörtlich): „Sie nehmen mir die Kreuze weg, obwohl die Kirche dringender denn je Christusse am Kreuz braucht“. Er meinte damit Menschen, die Christus nachfolgen und die bereit sind, im Dienst Gottes und der Menschen ihr Leben hinzugeben. Er ordnete an, dass in den Kapellen der Zentren des Opus Dei auf jedem Altar gut sichtbar ein Kreuz anzubringen sei. Es ging ihm nicht um eine Äußerlichkeit, sondern um das Geheimnis der Eucharistie, das nicht nur Mahl, sondern auch Opfer ist, und um unsere gläubige Teilnahme an der hl. Messe. Es ging ihm um den Hinweis auf das Geschehen - das Leiden und Sterben Jesu Christi am Kreuz -, das bei jeder hl. Messe in unblutiger, sakramentaler Weise vergegenwärtigt und erneuert wird.

In ähnlicher Weise scheint es mir beim Thema Herz-Jesu-Verehrung notwendig, vor allem den tieferen Bezugspunkt ins Auge zu fassen. Die Andachtsformen können, dürfen, müssen sich ändern, weil sich das Empfinden der Menschen und ihre Ansprechbarkeit verändert. Das durch die Lanze des Soldaten eröffnete Herz Jesu verweist auf das Geheimnis der Liebe Gottes zu uns Menschen, die so groß und so weit gegangen ist, dass der Sohn Fleisch angenommen und sein Leben zur Rettung der Welt verschenkt hat. Mit seinem Herzen verbindet sich eine Botschaft, die an alle Menschen gerichtet ist. Sie ist einladend und ermutigend, eine große Kraft geht von ihr aus, wie die Geschichte der Herz-Jesu-Verehrung eindrucksvoll zeigt.

Im Zusammenhang mit Ehe und Familie ist es besonders angebracht, sich dem Geheimnis dieses Herzens zuzuwenden, denn in ihm findet sich die tiefste Offenbarung dessen, was wahre Liebe ist. „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“ (Joh 15, 13), vertraut Jesus seinen Jüngern an. Dieses sein Herz ist auch Zuflucht und Quelle der Genesung. Da heute viele Menschen, auch viele Gläubige gerade im Zusammenhang mit Ehe und Familie Verwundete sind und die Verkündigung der Kirche in diesem Themenbereich sehr schwierig geworden ist, wäre eine Wiederentdeckung einer zeitgemäßen Herz-Jesu-Verehrung gerade im Zusammenhang mit Ehe und Familie von sehr großer Bedeutung und zugleich sehr dringend, weil die Nöte groß sind. Dies möchte ich ein wenig näher erläutern.

Die großen Leiden unserer Zeit

Die großen Leiden unserer Zeit stehen oft im Zusammenhang mit Ehe und Familie.

Das Zerbrechen der Familie ist in Wohlstandsgesellschaften wie der unsrigen auch und gerade unter gläubigen Christen einer der häufigsten Gründe tief greifender Lebenskrisen, die dadurch zusätzlich erschwert werden, dass sich die Betroffenen isoliert fühlen, auch von der Kirche enttäuscht sind. Trotz Ehevorbereitung und kirchlicher Trauung ist die Ehe gescheitert. Sie haben außerdem den Eindruck, dass ihnen von der Kirche keine Hilfe zuteil wird. Freilich suchen sie diese auch nicht bei der Kirche, weil sie diese dort gar nicht vermuten.

Groß und häufig ist das Leiden christlicher Eltern, die erkennen müssen, dass ihre Kinder den Weg zum Glauben nicht finden, obwohl es ihnen immer ein großes Anliegen gewesen ist, ihnen diesen Glauben zu vermitteln. Noch schlimmer ist es, wenn sie erleben, dass die Kinder entweder gar keine christliche Ehe anstreben oder diese scheitert. Eltern fragen sich dann, was an der Erziehung falsch war oder was diese Entwicklung verursacht hat. Manchmal gesellen sich zu diesen Zweifeln auch Vorwürfe der Kirche gegenüber, weil dem Empfinden der Eltern nach seitens der Kirche eine geeignete Hilfestellung gefehlt hat.

Ein anderer Problemkreis im Zusammenhang mit der Situation von Ehe und Familie heute bezieht sich auf die Kinder bzw. auf die Jugendlichen und Erwachsenen, die als Kinder keine elterliche Liebe erfahren haben. Von einer großen Sehnsucht nach Geborgenheit und Liebe erfüllt flüchten sie allzu bald in Beziehungen, denen meist die Voraussetzungen zum Gelingen fehlen. Häufig finden gerade sie, die so gerne ein glückliches Zuhause gehabt hätten, nicht den Weg zur Familie und es wiederholt sich die Tragödie, die sie bei ihren Eltern erlebten, was sie unbedingt vermeiden wollten. Persönlichkeitsstörungen unterschiedlichster Art, auch Alkoholprobleme und Drogenabhängigkeit verweisen nicht selten auf eine ähnliche Genese: Es hat in der Kindheit und Jugend an Liebe gefehlt.

In all diesen Leiden ist es schwer zu helfen, auch von der Kirche her. Unter vielen hat sich die Meinung verbreitet, die Kirche sei hart und grenze aus, ihre „Ideale“ seien so hoch, dass sie nicht realisierbar seien, jedenfalls nicht unter den Umständen der Gegenwart. Sogar ältere Personen, die sich mit der Kirche durchaus verbunden wissen, sagen nicht selten: Für mich waren die Gebote der Kirche noch maßgebend, ja selbstverständlich und ich habe mich an sie gehalten. Die jetzige junge Generation sieht das jedoch anders: meine Tochter hat einen Freund und lebt mit ihm zusammen, und bei den Kindern meiner Schwester ist das genauso. Die Zeiten haben sich eben geändert. Die Kirche muss dies endlich auch zur Kenntnis nehmen....

Die Verkündigung ist gerade in Bezug auf Ehe und Familie, insbesondere was die moralischen Fragen betrifft, sehr schwierig geworden. Für gewisse Themen findet die Kirche kein Gehör. Ich vergleiche es manchmal mit einem Haus, das mit automatisch funktionierenden Rollos ausgestattet ist. Sobald die Sonne stärker wird, werden sie betätigt. So ähnlich geschieht es, wenn in einem Vortrag bestimmte Themen angeschnitten werden: sofort verschließen sich Türen und Fenster, sogar mit eingebauter Schießscharte .... In dieser Situation ist es wichtig, neue Zugänge für das Wort Gottes zu finden. Die Türen und Fenster der Herzen müssen zuerst weit aufgetan werden, damit die frische Luft einer an sich sonnenklaren Wahrheit eindringen und das Herz erfüllen kann. Ich weiß nicht, ob die Herz-Jesu-Verehrung, so wie sie früher verbreitet war, heute und morgen dafür Grundlage und Hilfe ist, sicher ist, dass der Entdeckung der unendlichen Liebe Gottes, die in der Hingabe Christi sichtbar wird, die zentrale Bedeutung zukommt.

„Ich werde euch ein Herz geben“

In einer Predigt am 5. Oktober 1986 in Paray le Monial hat Papst Johannes Paul II. gesagt: „‘Ich werde euch ein Herz geben’: so sagt es uns Gott durch den Propheten. Der Zusammenhang verdeutlicht diesen Text. ‘Ich werde reines Wasser über euch ausgießen, dann werdet ihr rein’ (Ez 36, 25). So ist es: Gott reinigt das Herz des Menschen. Dieses Herz, das geschaffen wurde, um Heimstatt der Liebe zu sein, ist aber zum Mittelpunkt der Zurückweisung Gottes geworden, zum Mittelpunkt der Sünde des Menschen, der sich von Gott abwendet, um sich jeder Art von „Götzen“ zuzuwenden. Dann aber wird das Herz unrein. Öffnet sich hingegen diese gleiche innere Mitte des Menschen für Gott, so findet der Mensch die Reinheit des Bildes und Gleichnisses Gottes wieder, der als Schöpfer ihm von Anfang an dieses Bild und Gleichnis eingeprägt hat“ (2).

Diese Aussage des Heiligen Vaters ist grundlegend: wenn der Mensch seine innere Mitte für Gott öffnet, so findet er die Reinheit des Bildes und Gleichnisses Gottes wieder, das ihm Gott als Schöpfer von Anfang an eingeprägt hat.

Diese Aussage entspricht auch der Erfahrung.

Ich denke manchmal an die Erzählung einer geschiedenen Frau, die ich kennen lernen durfte. Sie war gut verheiratet gewesen, nach ihrem Empfinden ziemlich glücklich. Sie hatte zwei Kinder. Sie war zwar katholisch, aber praktizierte den Glauben nur wenig. Nach 20 Jahren Ehe verließ sie ihr Mann mit einer viel jüngeren Frau. Sie hatte nichts bemerkt. Eine Änderung seiner Entscheidung war nicht mehr zu erreichen. Es kam zur Scheidung. Sie musste sich scheiden lassen, zur Sicherung ihres Unterhaltes und des Unterhaltes ihrer Kinder. Sie blieb mit beiden Kindern im Haus zurück. Im Stock darunter wohnte die Schwiegermutter, mit der sie immer ein gutes Verhältnis gehabt hatte. Jetzt hörte sie auf, mit ihr zu reden, weil sie bemerkte, dass ihr Exmann zu seiner Mutter manchmal auf Besuch kam. Sie geriet in eine tiefe Lebenskrise, war wie betäubt und gelähmt, sie konnte es nicht glauben, was ihr geschehen war. Nach etwa einem Jahr ermutigten sie Bekannte zur Teilnahme an Exerzitien. Trotz gewisser Bedenken folgte sie dieser Einladung. Es wurde für sie zu einer Art Auferstehung. Sie begann, regelmäßig zu beten, nahm mit der Schwiegermutter neuerlich Kontakt auf, ordnete ihr Leben neu. Sie sagte zu mir: „Sie werden es kaum verstehen können. Heute bin ich fast froh, dass mir das alles passiert ist. Ich liebe zwar meinen Mann noch immer, es bedeutet für mich einen tief sitzenden Schmerz, dass er mich verlassen hat, aber ich habe Gott entdeckt. Vielleicht war diese große Krise nötig“.

Oder ich denke an ein junges Ehepaar. Sie hatten zusammengelebt, ohne verheiratet zu sein; es hatte ihnen jeder Bezug zu den kirchlichen Vorstellungen gefehlt. Sie hatten viele Krisen. Aufgrund einer religiösen Erfahrung entschlossen sie sich auseinander zu ziehen. Sie versuchten es mit Gebet, Empfang der Sakramente, ehrlicher, christlicher Bemühung. Sie heirateten und bilden heute eine muntere, glückliche Familie mit drei Kindern.

Wenn der Mensch sein Inneres Gott öffnet, kann er sich selbst und das Ziel seines Lebens finden.

Wie kommt der Geist ins Herz?

In der gleichen, vorher zitierten Ansprache stellte sich der Heilige Vater die Frage: „Doch wie kommt der Geist ins Herz der Menschen?“ und er gab sich selbst zur Antwort: „Es wird das Werk Jesu Christi sein: des ewigen Sohnes, den Gott nicht geschont, sondern für uns alle dahingegeben hat, um uns mit ihm jegliche Gnade zu schenken (vgl. Röm 8, 32), um uns mit ihm jegliche Gabe anzubieten“ (3). Der Papst fügte dann noch hinzu, dass man bis ans Ende warten musste, bis zu seinem Tod am Kreuz, damit das offenbar werde. Wörtlich sagte Johannes Paul II.: „Als Christus dort seinen Geist in die Hände des Vaters ‘zurückgegeben’ hatte (vgl. Lk 33, 46), geschieht folgendes Ereignis: ‘Es kamen die Soldaten ... sie kamen zu Jesus und sahen, dass er schon tot war ... und einer der Soldaten stieß mit der Lanze in seine Seite, und zugleich floß Blut und Wasser heraus’ (Joh 32-34) ... In seinem Tod hat Christus sich bis ins Letzte offenbart. Das durchbohrte Herz ist sein letztes Zeugnis. Johannes, der Apostel, der am Fuße des Kreuzes weilte, hat es verstanden; ebenso haben es im Verlaufe der Jahrhunderte die Jünger Christi und die Lehrer des Glaubens verstanden. Im 17. Jhd. hat eine Schwester von der Heimsuchung erneut dieses Zeugnis in Paray le Monial vernommen und Margareta Maria hat es der ganzen Kirche an der Schwelle der Neuzeit weitergegeben. Durch das am Kreuz durchbohrte Herz seines Sohnes hat der Vater uns alles ohne jede Gegenleistung geschenkt“ (3).

Wenn in unserer Zeit manche religiöse Gemeinschaften und Pfarren, in denen die eucharistische Anbetung gefördert und regelmäßig gepflegt wird, die Erfahrung machen, dass nicht wenige Menschen, die auf das Angebot eingehen und die eucharistische Anbetung lieb gewinnen, Christus, den Erlöser, entdecken und die Gnade der Bekehrung empfangen, dann hängt das wohl damit zusammen, dass sie in der eucharistische Anbetung, wenn sie im Glauben an die reale Präsenz des Herrn geschieht, dieses Herz Jesu entdecken, das für alle Menschen offen steht und aus dem Wasser und Blut hervorquellen.

Die Herz-Jesu-Verehrung hat, wenn sie echt war, immer bewirkt, dass eine große Liebe zur hl. Messe und zur eucharistischen Anbetung erwacht und die Vergebung der Sünden durch den Empfang des Bußsakramentes gesucht worden ist. Heute beginnt - wie mir scheint - der geistliche Weg bei jenen, die sich auf ihn einlassen, oft mit dem Stillwerden, das eine Voraussetzung für jede Erkenntnis und in unserer hektischen, oft lärmerfüllten Zeit besonders wichtig ist. Das Herz Jesu wird durch Hinschauen und Hinhören auf Christus allmählich entdeckt, sobald der Glaube an seine reale Gegenwart in der Eucharistie lebendig und das Wort Gottes als solches erkannt wird. Der Empfang des Bußsakramentes ist eine weitere, wichtige Folge der inneren Entwicklung: wer die Stille sucht, sich Christus zuwendet, seine große Liebe entdeckt sowie seine Nähe und die Türen des Herzens ihm öffnet, beginnt seinen Ruf zu vernehmen. Es ist ein Ruf zur Umkehr, ein Ruf, der zum Bekenntnis drängt: „Ich habe Unrecht getan, ich möchte Vergebung“. Manchmal kommt es dazu erst nach einem länger dauernden, inneren Vorgang, andere Male bricht plötzlich dieses Verlangen auf. Und gerade im Zusammenhang mit dem Bußsakrament, mit der Erfahrung der Vergebung, des Friedens und der Freude, die dadurch ins eigene Herz einkehrt, aber auch schon vorher, beim Erwachen der Reue, entsteht ein Zugang zur Verehrung des Herzens Jesu, ein Ansatzpunkt des inneren Lebens. Es erwacht das Verlangen, seiner Liebe zu entsprechen.

Im Zusammenhang mit Ehe, Beziehung und Partnerschaft scheint mir noch ein anderer Punkt wichtig: im Bereich Sexualität und Partnerschaft entstehen relativ häufig Gegebenheiten, in denen der fruchtbare Empfang der Sakramente der Buße und Eucharistie nicht nur die Reue über ein konkretes, punktuell auftretendes, falsches Verhalten voraussetzt, sondern die nicht immer leichte, in manchen Fällen schwer zu erreichende Veränderung einer seit mehr oder weniger langen Zeit andauernden Situation, bei der zudem noch eine weitere Person, der Partner, betroffen ist, z.B. wenn voreheliche Beziehungen bestehen, ein Verhütungsverhalten vorliegt, das den Weisungen der Kirche widerspricht oder wenn im Falle von wiederverheirateten Geschiedenen ein ernsthaftes Überdenken und Infragestellen der eigenen Stellung zu Christus und zur Kirche notwendig ist. Unser Reden (im Sinne der Verkündigung in Bezug auf diese Themen) kann - um beim Gleichnis von vorher zu bleiben - das Herablassen der Jalousien auslösen und vielleicht sogar die bereits vorhandenen Verwundungen noch tiefer machen. Mit Diskussionen und Streitgesprächen kann in der Regel nichts erreicht werden. Wenn dagegen Personen mit solchen Problemen den Weg zum Gebet finden, können sich vielleicht ihre Herzen von neuem öffnen, weil sie erfahren, wie sehr sie Gott geliebt hat, ständig liebt, auch wenn sie sich falsch verhalten haben. Da können nach und nach manche inneren Schritte geschehen, die den Entschluss zu Umkehr, zur Veränderung der in Widerspruch zu den Geboten Gottes stehenden Situation reifen lassen. Das Hinschauen auf Jesus kann eine Verwandlung in Gang setzen, die irgendwann zur Haltung führt, die für den Empfang des Bußsakramentes und der Eucharistie bereit macht.

Das Herz Jesu als Offenbarung und Quelle wahrhaft menschlicher Liebe

Eines der größten Probleme unserer Gesellschaft, auch der Kirche und aller Betroffenen sind die vielen Scheidungen und die Folgen, die sich aus ihnen ergeben. Viele Paare werfen, sobald Schwierigkeiten auftreten, die Flinte allzu schnell ins Korn und gelangen so gar nicht zu einer Reifung, zu einer tieferen Beziehung.

Der Heilige Vater hat mit sehr prägnanten Worten in Paray le Monial die Lage geschildert. Er sagte: „Wir wissen darum: in unserer Zeit kommen bei den Familien allzu oft Prüfung und Bruch vor. Allzu viele Paare bereiten sich schlecht auf die Ehe vor. Allzu viele Paare entzweien sich und schaffen es nicht, die versprochene Treue zu wahren, den anderen anzunehmen, wie er ist, ihn zu lieben trotz seiner Grenzen und Schwächen. Und dann stehen allzu viele Kinder ohne den ausgewogenen Halt da, den sie in der sich ergänzenden Harmonie ihrer Eltern finden sollten.“ Der Papst fügt dann noch hinzu: „Welcher Widerspruch gegen die Wahrheit von der menschlichen Liebe liegt ferner vor, wenn man sich weigert, das Leben in verantwortlicher Weise weiterzugeben, und wenn man sogar das bereits empfangene Kind tötet!“ Er schließt mit der Bemerkung: „Hier liegen Zeichen einer echten Krankheit vor, die die Personen, Ehepaare, Kinder und die Gesellschaft selbst befallen hat.“

Jesus offenbart am tiefsten, was menschliche Liebe ist. Der selige Josefmaria Escrivá hat häufig gesagt: „Schaut auf sein Herz, es ist ein Herz aus Fleisch und Blut, ein menschliches Herz, in dem eine große Liebe schlägt, eine göttliche.“ Jesus selbst hat zu seinen Jüngern gesagt: „Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben“ (Joh 13, 34).

Seine Liebe ist ganzheitlich. Aus Liebe breitet er seine Hände am Kreuz aus. Der Blick auf sein Herz läßt uns verstehen, dass Liebe nicht nur ein gewisses inneres Empfinden bedeutet, sondern zur Hingabe auch unter Opfern bereit macht. Und wenn eine Liebe groß ist, ist sie zu großen Opfern fähig. Bei Christus wird die göttliche Liebe sichtbar. Wir könnten von seiner Geburt an sein ganzes Leben durchgehen, betrachten, wie er sich für die Wahrheit eingesetzt, Kranke geheilt, wie er seine Arme am Kreuz ausgebreitet hat. Wir werden seine Liebe erkennen, die sich in vielen Weisen gezeigt hat. Und wir sollten es auf unser eigenes Leben anwenden: wir entdecken dabei die Möglichkeit, ja die „Notwendigkeit“, unsere Liebe nicht nur in Worten zum Ausdruck zu bringen, sondern auch in Werken. Diensterweise dem anderen gegenüber, Aufmerksamkeiten, sogar kleine Dinge können zu Trägern einer großen Botschaft werden, wenn sie Zeichen einer großen Liebe sind.

Er vergibt und lehrt Vergebung. Nicht nur siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal (vgl. Mt 18,22), d.h. immer sollen seine Jünger vergeben. Es ist ein Weg, ja eine Mahnung auch für uns.

Mit Christus, durch die Weisung seines Wortes, durch seine Hilfe und Speise können Eheleute auch heute den Weg zur Liebe finden, in der Liebe wachsen und reifen, wie es nötig ist. Verbunden mit Ihm und unter der Führung seines Geistes, des Heiligen Geistes, wird ihre Liebe, wenn sie sich beharrlich an Ihm, an seinem Herzen aufrichten, allmählich geläutert und vertieft. Ihre Liebe wird selbstloser, gottbezogener und zugleich „menschlicher“. Sein Herz ist Offenbarung und Quelle dieser Liebe.

In Familien, in denen seine Liebe regiert, können Kinder die Grundlage dafür empfangen, dass auch sie den Weg zu Christus und zur Liebe finden, auch wenn dies heute in einer pluralistischen Gesellschaft mit all den schwierigen Bedingungen insbesondere für die Erziehung der Kinder nicht leicht ist. Die Kinder müssen außerdem, sobald sie größer werden, allmählich erwachsen und selbständig, nach ihrer Ablösung von den Eltern, selbst den eigenen Weg finden, in eigener Verantwortung. Die christlichen Familien müssen aufwachen, Initiative entfalten, damit sie ihre Aufgabe wahrnehmen und zur Schule des Lebens, der Liebe und des Glaubens werden können. Sie brauchen freilich von der Kirche Hilfe.

Es wäre sehr wertvoll und wichtig, wenn von neuem die Weihe der Familien an das Herz Jesu Verbreitung fände. Dies könnte dazu beitragen, dass die christlichen Familien Mut fassen und alles daransetzen, dass Jesus, der die Grundlage des Ehebundes darstellt, auch im familiären Alltag präsent ist.

Herz-Jesu-Verehrung in der christlichen Familie heute

Nochmals möchte ich den Heiligen Vater zu Wort kommen lassen. Nachdem er die Eheleute aufgefordert hat, treu und hochherzig im Bund mit der unermesslichen Liebe des Herzens Christi zu leben und die Kinder christlich zu erziehen, ohne die Aufgabe der Erziehung auf andere abzuschieben, sagte er: „Schenkt in eurem häuslichen Leben dem Herrn den gebührenden Platz und betet gemeinsam. Hört treu das Wort Gottes und empfangt die Sakramente, vor allem pflegt den Empfang des Leibes Christi, der für uns hingegeben wurde. Nehmt regelmäßig an der Sonntagsmesse teil, denn diese Versammlung ist für Christen in der Kirche notwendig: Dort sollt ihr für eure eheliche Liebe danken, die verbunden ist ‘mit der Liebe Christi, der sich selbst am Kreuze hingegeben hat’“ (vgl. FC 13).

Das sind sehr konkrete Hinweise. Herz-Jesu-Verehrung heute kann sich in bestimmten Andachten - je nach Geschmack - in unterschiedlichen Formen zeigen, wesentlich ist die entschlossene Hinwendung zu Christus. Ihm muss der gebührende Platz im häuslichen Leben gegeben werden, wie der Papst sagt. Dem gemeinsamen Gebet kommt eine wichtige Bedeutung zu. Ein gewisses Maß an gemeinsamem Gebet wird in einer christlichen Familie niemals fehlen dürfen. Das Wort Gottes treu hören, ist ein weiterer, wichtiger Hinweis. Heutzutage beginnen nicht wenige christliche Familien von neuem, sich für Sonn- und Feiertage durch Lektüre der entsprechenden Texte aus der Hl. Schrift und Gespräch darüber vorzubereiten. Von großer Bedeutung ist der Besuch der Sonntagsmesse und im allgemeinen die Feier des Sonntags, der Empfang der Sakramente. Und wenn von den Mitgliedern einer Familie das Bußsakrament entdeckt wird, stellt dies eine große Hilfe dar für den einzelnen und für die Gemeinschaft. Auch die gemeinsame Erholung und Freizeitgestaltung enthält viele Möglichkeiten, sich gegenseitig zu bestärken, fordert aber ebenfalls Kreativität und eine bewußt gepflegte Liebe zueinander.

Der Papst hat bei jener Predigt schließlich noch einen sehr wertvollen Rat erteilt. Er sagte: „Bringt auch eure Leiden vereint mit seinem Erlösungsopfer dar. Dabei sei sich jeder bewusst, dass er Sünder ist und bete zugleich für die Sünden der Mitmenschen, die auf vielfältige Weise sich ihrer Berufung entfremden und nicht mehr den Liebeswillen des Vaters erfüllen wollen. Ihr empfangt dann durch sein Erbarmen Reinigung und die Kraft, eurerseits zu verzeihen. Ihr bekräftigt eure Hoffnung und prägt eure brüderliche und schwesterliche Gemeinschaft, wenn ihr sie auf die eucharistische Kommunion gründet“.

Die Vereinigung mit Christus und seinem Erlöserherzen in den Sorgen einer christlichen Familie lindert den Schmerz, schenkt Licht und Kraft, befähigt, so manche Prüfung - jede - durchzustehen und einander Halt zu sein, auch in schweren Stunden.

Abschließen möchte ich mit der Bemerkung, dass es eigentlich ein Bedürfnis wäre, auch von Maria, seiner und unserer Mutter, und von ihrem Herzen zu reden. Die Zuflucht bei ihr sichert den Weg ab und führt immer zum Herzen ihres Sohnes. Mit ihrer Fürsprache werden wir mit Gewissheit seinen Frieden finden.

Mit herzlichem Segensgruß

+ Klaus Küng