Leben aus dem Glauben - Tauf- und Firmerneuerung

 

„Seht, das ist unser Gott,
auf ihn haben wir unsere Hoffnung gesetzt,
er wird uns retten.“
(Jes 25, 9)

Liebe Mitchristen!

Vor wenigen Tagen erhielt ich von einigen Jugendlichen einen Brief, in dem sie -bewegt durch die kirchlichen Ereignisse der letzten Wochen- alle engagierten Katholiken und Christen zum Gebet für die Kirche aufrufen. Wörtlich schreiben sie: „Gott sei Dank ist es eben noch immer die Kirche Christi, und daher ist das Haupt der Kirche noch immer das Zentrum der Kirche, an das wir uns wenden müssen. Erst durch persönliche Ein- und Umkehr kann wirklich der Wille Gottes erkannt werden. Am Beginn der Fastenzeit muss sich daher jeder fragen, inwieweit er/sie diesbezüglich engagiert ist. Die wahre Erneuerung der Kirche beginnt eben immer mit einer persönlichen inneren Erneuerung. Dann werden noch viele so genannte „Probleme“ auf einmal einen ganz anderen Stellenwert erlangen.“ Außerdem baten diese jungen Christen um Medienabstinenz, weil durch die über Zeitung, Rundfunk und Fernsehen geführten Debatten der „Dialog“ nur emotionalisiert werde und in Sackgassen gerate.

Als ich diesen Brief las, dachte ich mir, dass auch aus der Jugend Weisheit spricht. Ist es nicht das Gebot der Stunde, das Wichtigste, dass wir uns erneut und entschlossen, geführt vom Heiligen Geist, Christus zuwenden und die Verbindung mit ihm suchen? Von ihm her kommt die Hoffnung, verbunden mit ihm kommt Licht in unser Leben, in Kirche und Welt. Eine Erneuerung, die nicht hier -in der Verbundenheit mit Christus- ansetzt, wird sich als Rohrkrepierer erweisen. Aus diesem Zusammenhang heraus bin ich der Überzeugung, dass im heutigen Meinungschaos der Tauf- und Firmerneuerung eine zentrale Bedeutung zukommt.

Tauf- und Fimerneuerung

In der Konstitution des II. Vatikanums über die heilige Liturgie heißt es über die österliche Bußzeit: „Die vierzigtägige Fastenzeit hat die doppelte Aufgabe, vor allem einerseits durch Tauferinnerung oder Taufvorbereitung, andererseits durch Buße die Gläubigen, die in dieser Zeit mit größerem Eifer das Wort Gottes hören und dem Gebet obliegen sollen, auf die Feier des Pascha-Mysteriums vorzubereiten. Dieser Doppelcharakter soll sowohl in der Liturgie wie auch in der Liturgie-Katechese in helles Licht gerückt werden“ (SC 109). Daher sollen, so fordert das Konzil, in der Fastenzeit die Taufmotive stärker genutzt und zugleich der Bußcharakter dieser Zeit betont werden.

Diese Empfehlung des Konzils ist nicht nur für die Fastenzeit richtungweisend, sondern notwendiger Anfang der Erneuerung bei jedem(r) einzelnen und bei allen, die eine Erneuerung der Kirche wünschen.

Warum sind die Sakramente so oft wenig wirksam?

In den letzten Jahren wurden in vielen Pfarrgemeinden große Anstrengungen unternommen, um die Kinder und Jugendlichen in das sakramentale Leben der Kirche einzuführen. Das besondere Problem, das sich dabei zeigte und sich auch jetzt ständig zeigt, sind die reduzierte oder mangelnde Glaubenspraxis zahlreicher Familien und damit verbunden die immer schwierigeren Umstände des Glaubensunterrichtes in Schule und Pfarre. So wird z.B. aufgrund des ausgedehnten Fernsehkonsums das Gebet in den Familien und beim einzelnen spärlicher, der Glaube wird nicht mehr selbst praktiziert, sondern es wird aus Sendungen und vom Hörensagen übernommen, was man glaubt oder nicht glaubt. Der Wohlstand lässt auf Anstrengung vergessen. Das Bemühen um Nächstenliebe bleibt oberflächlich ...

Vielerorts werden keine Mühen gescheut, um die Eltern der Kinder und Jugendlichen anzusprechen und einzubeziehen. Es wird so manches erreicht. Trotzdem ist und bleibt es schwierig, wenn nicht die Erwachsenen selbst aktiv werden, um den Glauben besser kennen zu lernen, tiefer in seine Inhalte eindringen und Schritte zu seiner Umsetzung ins eigene Leben versuchen. Die Erwachsenen müssen selbst den Weg zu einer wahren Glaubenserneuerung finden und bei der Verkündigung als Eltern mittun. Ihr Vorbild, ihr persönliches Bemühen ist für den jungen Menschen wichtiger als Vorträge und Predigten, die freilich auch nötig sind, und zwar für alle. „Wie sollen sie nun den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie hören, wenn niemand verkündigt?“ (Röm 10, 14). Für jung und alt gilt: Wenn das Samenkorn nicht genährt wird, kann es sich nicht entfalten und stirbt ab, auch wenn gewisse Grundlagen für ein Wiederaufleben des Glaubens bestehen bleiben. Und wenn die Bemühung um ein christliches Leben fehlt und das praktische Leben des Alltags im Gegensatz zu den Weisungen des Herrn steht, dann brennt das Licht nur noch auf Sparflamme, oder es verlöscht ganz. Die Sakramente können so nicht wirksam sein.

Die Sakramente enthalten Verheißungen Gottes.

Es ist angebracht und hilfreich, manchmal von neuem darüber nachzudenken, was die Sakramente sind und bedeuten.

„Die Taufe ist die Grundlage des ganzen christlichen Lebens, das Eingangstor zum Leben im Geiste (vitae spiritualis ianua) und zu den anderen Sakramenten“ (KKK (Katechismus der Katholischen Kirche) 1213). Nach der Lehre des hl. Paulus wird der Gläubige durch die Taufe in den Tod Christi hinein genommen. Er wird mit ihm begraben, und mit ihm ersteht er zu neuem Leben (vgl Röm 6, 3-4). Durch die Taufe wurden wir als Frucht der Erlösung von der Sünde befreit und empfingen einen ersten Keim des ewigen Lebens. Durch die Taufe wurden wir mit Christus verbunden und haben die Grundlage empfangen, auf der sich unser Christsein entfalten kann. Zugleich wurden wir in die Kirche eingefügt. Beim Erwachsenen setzt die Taufe, damit sie voll wirksam wird, die Bekehrung voraus, die Abkehr von einem heidnischen Leben, die Überwindung einer nur gesellschaftsüblichen Haltung. Sie setzt weiters den Glauben an den dreifaltigen Gott voraus, an Christus, an die Kirche und die Bereitschaft, das Leben entsprechend zu gestalten. Die Taufe begründet einen Bund zwischen Gott und Mensch: Gott verheißt das Leben und der Mensch verspricht, sich seinen Weisungen entsprechend zu verhalten. „Gott ist treu“ (1 Tess 2, 13), seine Verheißung gilt ewig, aber unsererseits bedarf dieser Bund der oftmaligen Erneuerung und der initiativen Entfaltung. Das Kind muss in den Glauben hineinwachsen und der Erwachsene ist in vielen Situationen dazu aufgefordert, den Willen von neuem zu bekunden, den Herausforderungen des Lebens als Christ zu begegnen, dem Christsein treu zu sein.

Durch die Firmung wird die durch die Taufe Grundgelegte Verbundenheit mit Christus bestärkt: wir empfangen den besonderen Beistand des Heiligen Geistes, damit wir in den verschiedenen Belangen und Situationen des Lebens erkennen, was Gott von uns will, damit wir nicht einfach unserer Bequemlichkeit nachgeben oder unserer Eitelkeit zum Opfer fallen, sondern uns als Christen den Herausforderungen des Lebens stellen. Auch die Firmung setzt - wenn sie fruchtbar werden soll - unsere Bereitschaft und Verbundenheit mit Christus voraus.

Durch die Eucharistie empfangen wir Christus selbst als Speise. Eine wahre „Communio“, Einheit und Verbundenheit mit ihm ist freilich nur dann möglich, wenn wir sein Wort in unseren Herzen aufnehmen und wenn unser Denken, Reden und Tun im Alltag mit seiner Gesinnung übereinstimmen, wenn wir die in der Botschaft des Evangeliums enthaltenen Anregungen zur Menschlichkeit zur Tat werden lassen.

All das setzt unseren guten Willen voraus und unser Bemühen, Gottes Willen zu entsprechen. Auch wenn wir getauft und gefirmt sind, können wir - wie wir alle sehr gut wissen - Christus aus dem Blick verlieren. Es kann geschehen, dass wir uns von Gott durch die Sünde entfernen, dass ein Bruch mit Gott entsteht. Das Licht kann verlöschen, das heißt, es fehlen dann die innere Verbundenheit mit Gott, der innere Friede und die Freude. Als Getaufte und Gefirmte tragen wir zwar auch in dieser Situation weiterhin die „Anlage“ in uns, die wir durch Taufe und Firmung empfangen haben und die uns zu einem christlichen Leben befähigt; aber diese „Anlage“ liegt brach, ist stillgelegt. Wir sind weiterhin Glieder der Kirche, Glieder Christi, aber wir sind kranke oder vielleicht schon abgestorbene Glieder, die freilich mit der Hilfe Christi durch die Erneuerung der Taufgnade wieder zum Leben erwachen, gesunden können und sollen. Auch die Kommunionen, die wir in der seelischen Verfasstheit, welche eine schwere Sünde mit sich bringt, empfangen, sind nicht fruchtbar, weil sie im Kontrast zu unserem Leben stehen; sie können sogar eine Missachtung der Heiligkeit und Würde des Herrn bedeuten. Er ist für alle da, sagt zu jedem Menschen, insbesondere auch zum schwachen, kranken und sündhaften: „Kommt alle zu mir, die ihr mühsam und beladen seid ...“. Aber die Bekehrung oder zumindest der Wunsch danach ist die Voraussetzung dafür, dass die Begegnung mit ihm fruchtbar und heilsam ist. Der hl. Paulus mahnt: „Wer also unwürdig von dem Brot isst und aus dem Kelch des Herrn trinkt, macht sich schuldig am Leib und am Blut des Herrn. Jeder soll sich selbst prüfen; erst dann soll er von dem Brot essen und aus dem Kelch trinken. Denn wer davon isst und trinkt, ohne zu bedenken, dass es der Leib des Herrn ist, der zieht sich das Gericht zu, indem er isst und trinkt“ (1 Kor 11, 27-29).

Es ist daher sehr wichtig, dass die Taufgnade in uns lebendig ist. Deshalb hat Christus das Bußsakrament eingesetzt, seinen Aposteln die Vollmacht erteilt, zu binden und zu lösen, damit wir, wenn immer nötig, Vergebung empfangen können und uns der Friede des Herrn zuteil wird, damit wir fähig werden zu einem neuen Ja zu Gott und seinem Willen, zu dem Bund, den wir in der Taufe geschlossen haben und den wir erneuern, verbunden mit einem Neuanfang, mit einem neuen Bemühen.

Dabei wird es gut sein, noch etwas zu bedenken: nicht nur dann ist es notwendig, den Taufbund zu erneuern, wenn wir einen schweren Fehler begangen oder nachgelassen haben, lau geworden sind, wie es wohl bei fast jedem Menschen immer wieder vorkommt. Die Umstände und Anforderungen des Lebens sind im Laufe der Jahre vielfältig und immer wieder neuer Art. Dies bringt mit sich, dass wir in diesen unterschiedlichen Situationen und Gegebenheiten neu die Einladung und Gelegenheit erhalten, unser Ja zu Gott und zu seinem heiligen Willen in neue Situationen und Bereiche des Lebens hineinzutragen. Gerade darin besteht im Vollsinn die Tauf und Firmerneuerung, zu der wir aufgerufen sind.

Nicht nur oberflächlich Taufe und Fimung erneuern: Initiative ist nötig

Ich habe den Eindruck, dass das, was mit Tauferneuerung gemeint ist, oft zu oberflächlich betrachtet wird. Ein bloß äußerliches Wiederholen der Worte (der Formel), die als Ausdruck der Erneuerung des Taufversprechens z.B. in der Osternacht oder vor der Firmung gesprochen werden, wäre zu wenig. Vielleicht vermag es der Vergleich mit dem ähnlichen Vorgang zu verdeutlichen, der in der Ehe oder bei der Erneuerung eines Dienstverhältnisses, eines gegebenen Treueversprechens, vorkommt.

Gerade in Bezug auf das Ehesakrament entdecken in unserer Zeit nicht wenige Ehepaare, wie positiv sich die bei bestimmter Gelegenheit ganz bewusst vollzogene Erneuerung des gegenseitigen Ja-Wortes auf die Entwicklung der Beziehung auswirken kann. Wenn eine solche Erneuerung immer wieder - auch nach schwierigen Ehephasen - ehrlich gelingt, wird sie für das Ehepaar und die ganze Familie zu einem großen Segen und zur Quelle echten Glücks. Freilich setzt eine solche Erneuerung des Eheversprechens einen oft nicht leichten Vorgang des Gespräches -miteinander und mit Gott- voraus. Die Aufarbeitung mancher Missverständnisse ist nötig, die Frage nach dem Warum mancher Spannungen, der Weg zum gegenseitigen Verstehen und Verzeihen muss gefunden werden, sowie die neuerliche Absprache in manchen konkreten Bereichen des alltäglichen Lebens zur Verbesserung des Miteinanders. Unter Menschen - auch solchen, die sich lieben - ist dies freilich nicht immer leicht. Es setzt den guten Willen der Beteiligten voraus. Zudem bestehen manchmal innere Blockaden und Verhärtungen oder gar Allergien, die beinahe nicht zu überwinden sind.

Mut zum Ja

Gott gegenüber ist es leichter: wir haben zwar alle möglichen Schwierigkeiten, die einer Umkehr und Versöhnung im Wege stehen. Es kann Verhärtungen und Abstumpfungen in unserem Gewissen geben, weil wir bestimmte Fehler nicht einsehen wollen und beiseite schieben; es kann sein, dass wir uns aus Bequemlichkeit vor einer Änderung unserer Verhaltensweisen sträuben oder Anhänglichkeiten und andere Schwächen haben, die wir nicht gerne zugeben oder nicht ernsthaft bekämpfen wollen. Wir sind oft untreu. Gott aber ist treu. Er ist jedes Mal zum Vergeben bereit, wenn wir unsere Fehler einsehen. Er schenkt uns seine Hilfe und seine Freundschaft, wenn wir darum bitten. Der Taufbund kann, soweit es an Gott liegt, jederzeit wiederhergestellt und belebt werden. Und abgesehen von unseren Fehlern: Gott ist da, bereit, uns zu helfen, so dass wir auf unserem Weg weitergehen können. Als Gefirmte dürfen wir auch mit dem Beistand des Heiligen Geistes rechnen, wenn unsere Absicht aufrichtig und unsere Bitte um Verbundenheit mit Gott ehrlich sind. Manchmal kann es freilich sein, dass wir den Heiligen Geist „ausgelöscht“ haben, weil wir seine Regungen nicht wahrhaben wollten, uns im Gegensatz zur Stimme des Herzens verhielten. Es kann sein, dass wir innerlich leer geworden sind, weil dieser Zustand unserer Abwehr oder unserer Verstocktheit längere Zeit angedauert hat. Aber sobald wir umkehren, sobald wir ehrlich und demütig um sein Kommen bitten, beharrlich Schritte zur Verbesserung versuchen, werden wir von neuem die Regungen des Heiligen Geistes empfangen.

„Fröhlich in der Hoffnung, geduldig in der Bedrängnis, beharrlich im Gebet!“
(Röm 12, 13)

Die Erneuerung der Taufgnade und des Taufversprechens, die Erneuerung der Firmung sind grundlegende Vorgänge in unserem christlichen Leben. Wenn wir sie vollziehen und die Gnade hiefür erbitten, erlangen wir die Grundlage für eine Freude, die auch inmitten großer Schwierigkeiten zu bestehen vermag, und es wird uns trotz aller Schwächen - der eigenen und jener der anderen - eine feste Zuversicht verliehen, die gerade deshalb fest ist, weil sie nicht auf unsere eigene Kraft baut. Unsere Hilfe kommt von Gott!

Diese Erneuerung des einzelnen ist auch die Grundlage der Erneuerung der Kirche. Damit will ich nicht sagen, dass keine Probleme in der Kirche vorhanden und keine Beratungen, keine Änderungen, keine Reformen erforderlich sind. Diese können durchaus nötig sein, aber ohne Verbundenheit mit Christus - zumindest im Sinne eines großen Verlangens danach - sind Erneuerungsbestrebungen vergeblich, laufen wir Gefahr, angesichts mancher Schwierigkeiten falsche Schlüsse zu ziehen und die Lösungen dort zu suchen, wohin uns unsere eigene Schwachheit verleitet. Gott behüte uns davor! Er führe uns durch Jesu Geist!

Verbunden im Gebet
+ Klaus Küng